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Zur Angemessenheit von Preisen im anschließenden Verhandlungsverfahren

16.08.2013

Die Vergabekammer Baden-Württemberg (VK) hat mit Beschluss vom 21.03.2013 – 1 VK 6/13 – Folgendes entschieden:

• Ein Vergabeverfahren kann aufgehoben werden, wenn das günstigste Angebot unangemessen hoch ist.

• Maßstab für die Ermittlung eines angemessenen Preises und damit für die Beurteilung, ob ein Preis unangemessen hoch ist, können Angebote anderer Anbieter, Daten aus anderen Ausschreibungsverfahren, bisher vom Auftraggeber für vergleichbare Leistung gezahlte Preise, Kostenschätzungen von Architekten- und Ingenieurbüros sein.

• Ein Preisabstand von 5,73 % rechtfertigt nicht die Annahme, dass es sich um einen unangemessen hohen Preis handelt.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Fassadenarbeiten im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Darauf waren zunächst 10 Angebote eingegangen, wobei das Angebot des Bestbieters nur knapp, das Angebot des Zweitbieters B jedoch bereits ca. 20 % oberhalb der Kostenschätzung des AG lag. Nachdem der Bestbieter einer notwendig gewordenen Bindefristverlängerung nicht zugestimmt und darauf den Zuschlag ausgeschlagen hatte, hatte der AG das Verfahren wegen unangemessen hoher Preise der verbliebenen Angebote gemäß § 17 EG Abs. 1 VOB/A aufgehoben und mit den verbliebenen Bietern ohne erneute Bekanntmachung ein Verhandlungsverfahren durchgeführt. In dessen Ergebnis war das günstigste von vier abgegebenen Angeboten nur 5,73 % unter dem Angebotspreis des Zweitbieters B aus dem Offenen Verfahren. Zweitbieter B hatte sich am Verhandlungsverfahren nicht beteiligt, sondern Nachprüfungsantrag gegen die Aufhebung des Offenen Verfahrens und Durchführung des Verhandlungsverfahrens gestellt.

Die Vergabekammer gibt hier dem Zweitbieter B recht. Ausschreibungen können aufgehoben werden, wenn keines der eingegangenen Angebote, auf die ein Zuschlag erteilt werden könnte, einen angemessenen Preis im Sinne des § 16 Abs. 6 Nr. 1 EG VOB/A aufweise. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob dies aus § 17 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 EG VOB/A folge. Zumindest stelle dies einen schwerwiegenden Grund für eine Aufhebung nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 EG VOB/A dar. Hier sei die Aufhebung jedoch rechtswidrig, weil der AG den ihm obliegenden Beweis nicht erbracht habe, dass es sich beim Preis des Zweitbieters B um einen solchen handele, der eklatant vom Marktpreis abweiche oder erheblich übersetzt sei. Ob dies der Fall sei, sei nach der Rechtsprechung des BGH durch eine alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehende Abwägung zu ermitteln. Entsprechend lasse sich die Frage, ob ein Preis noch als angemessen oder schon als unangemessen hoch anzusehen sei, nur unter Abwägung der konkreten Umstände des jeweiligen Vergabeverfahrens entscheiden. Maßstab für die Ermittlung der Angemessenheit eines Preises könnten Angebote anderer Anbieter, Daten aus anderen Ausschreibungsverfahren, bisher vom AG für vergleichbare Leistungen gezahlte Preise, Kostenschätzungen von Architekten und Ingenieurbüros sein. Insbesondere die in einem Verhandlungsverfahren, das im Anschluss an ein Offenes Verfahren durchgeführt werde, das wegen angenommener unangemessen hoher Preise aufgehoben wurde, erzielten Preise dürften in aller Regel die tatsächlichen Marktpreise widerspiegeln. Diese könnten für die Ermittlung eines angemessenen bzw. unangemessenen Preis herangezogen werden. Im vorliegenden Falle liege der Preis des B nur 5,73 % über dem im Verhandlungsverfahren angebotenen günstigsten Preis. Der geringe Preisabstand rechtfertige nicht die Annahme, dass es sich bei dem vom B angebotenen Preis um einen unangemessenen handelte. Ebensowenig liege ein sogenannter „Kampfpreis“ vor, der generell ungeeignet zur Ermittlung eines angemessenen Marktpreises sei.

Der AG habe somit nicht nachweisen können, dass es sich um einen erheblich vom Marktpreis abweichenden oder übersetzten Preis handele. Da aber der AG die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Aufhebungsgrundes trage, sei die Aufhebung hier rechtswidrig gewesen.

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Anmerkung:

Die Entscheidung ist vor allem deshalb lesenswert, da sie gute Anhaltspunkte gibt, wie die Preisbildung im Verhandlungsverfahren zu geschehen hat, wenn vorher ein Offenes Verfahren wegen unangemessen hoher Preise aufgehoben wurde.

  Quelle: RA Michael Werner


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