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Zur Aufhebung einer Ausschreibung wegen Budgetüberschreitung

20.07.2012

Die Vergabekammer (VK) Brandenburg hat mit Beschluss vom 2. April 2012 – VK 6/12 - Folgendes entschieden:

1. Die Überschreitung der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel erst jenseits einer Abweichung von 10 % stellt einen schwerwiegenden Grund im Sinne von § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A dar, der die Vergabestelle zur Aufhebung der Ausschreibung berechtigt.

2. Bei einer in Lose geteilten Ausschreibung ist bezüglich der Überschreitung des Budgets auf das Gesamtvolumen der Baumaßnahme abzustellen.

Ein Auftraggeber, ein Klinikum (AG), hatte den Neubau eines Bettenhauses und die Umstrukturierung der vorhandenen Altbaubereiche geplant. Die Gesamtmaßnahme hatte ein Volumen in zweistelliger Millionenhöhe und gliederte sich in mehrere Bauabschnitte, die zeitlich getrennt voneinander ausgeführt wurden. Als Los 10 wurden Trockenbauarbeiten europaweit ausgeschrieben. Später hob der AG die Ausschreibung gemäß § 17 VOB/A aus schwerwiegenden Gründen auf, da die eingegangenen Angebote preislich deutlich über dem für Los 10 vorgesehenen Budget gelegen hätten und beabsichtigte, ins Verhandlungsverfahren überzugehen. Bieter A stellte darauf einen Nachprüfungsantrag.

Die Vergabekammer hält den Nachprüfungsantrag für begründet, weil die Aufhebung der Ausschreibung zu Unrecht erfolgt sei. Grundsätzlich sei dem AG hier darin zuzustimmen, dass eine Kostenschätzung geeigneter Maßstab für die angenommene Überschreitung des kalkulierten Finanzbedarfs sein könne. Der Rückgriff auf den Schätzpreis setze jedoch voraus, dass dieser zutreffend gebildet wurde. Angesichts des Umstands, dass eine Kostenschätzung prognostischen Charakter habe, sei dem AG zwar ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen. Erforderlich sei aber, dass der AG bei der Kostenschätzung mit der gebotenen Sorgfalt vorgehe und alle bei der Ausarbeitung der Schätzung erkennbaren Daten in einer den Umständen des geplanten Vergabeverfahrens angemessenen und methodisch vertretbaren Weise berücksichtige. Der Beurteilungsspielraum werde daher überschritten, wenn der AG bei der Preisschätzung Faktoren außer Betracht lasse, deren Bedeutung für die zu erwartenden Preise sich geradezu aufdränge. Dies sei im vorliegenden Verfahren der Fall, denn der AG habe in seiner Kostenberechnung den jeweils angegebenen Einheitspreis hinsichtlich der angegebenen Menge nicht als Gesamtpreis ausgewiesen und der Gesamtsumme hinzugerechnet. Rechne man diesen Differenzbetrag der Kostenrechnung des AG für das hier ausgeschriebene Los 10 hinzu, ergebe sich nur noch eine Überschreitung in Höhe von 7,3 %. Nach der Rechtsprechung setze jedoch eine auf den Schätzpreis abzustellende Unwirtschaftlichkeit nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A ein deutliches Überschreiten der Kostenschätzung voraus, die erst jenseits einer Abweichung von 10 % angenommen werden könne.

Unabhängig davon sei für die Frage der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel bei einer in Lose aufgeteilten Ausschreibung nicht das für einzelne Gewerke errechnete „Vergabebudget“, sondern das Gesamtvolumen des Bauprojektes maßgeblich. Stelle man auf dieses Gesamtbudget des Bauprojektes ab, liege die Überschreitung hier nur bei ca. 0,37 %, so dass ein deutliches Überschreiten der Kostenschätzung der Auftraggeber nicht angenommen werden könne. Eine Aufhebung wegen Überschreitens des Kostenbudgets sei daher nicht möglich.

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Anmerkung:

Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist die Aussage, dass speziell bei einer losweisen Ausschreibung auf das Gesamtbudget des Bauprojektes abgestellt werden muss. Hat der AG die Besorgnis, dass seine Preisschätzung bzw. finanziellen Mittel überschritten werden, muss er bei losweiser Vergabe die Kosten für das einzelne Los sorgfältig schätzen. Wenn sich danach herausstellt, dass alle Angebotspreise für ein Los unangemessen hoch sind und kein zuschlagsfähiges Angebot mehr verbleibt, ist er auch weiterhin zur Aufhebung aus schwerwiegendem Grund nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A berechtigt.

  Quelle: RA Michael Werner


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