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Zur Ausschreibung von Wahl- und Alternativpositionen

08.12.2015

von RA Michael Werner

Das OLG München hat mit Beschluss vom 22.10.2015 – Verg 5/15 – u.a. Folgendes entschieden:

• Alternativpositionen dürfen nur ausgeschrieben werden, wenn ein berechtigtes Interesse hieran besteht.
• Die Absicht, den Markt zu erkunden, ist kein solches berechtigtes Interesse.
• Ist ein berechtigtes Interesse der Vergabestelle in keiner Weise zu erkennen, kommt es nicht mehr im Einzelnen darauf an, ob und wie weit das Transparenzprinzip gefährdet ist.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte den Neubau einer Brücke über eine Bundesautobahn im Wege eines Offenen Verfahrens nach VOB/A-EG europaweit ausgeschrieben. Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis; Nebenangebote waren nicht zugelassen. Im LV hatte er eine Brückenkonstruktion vorgegeben, deren Voraussetzungen nur vom Produkt einer einzigen Firma erfüllt werden konnten. Dieser Hersteller wurde von ihm aber nicht benannt. Zugleich hatte der AG aber die Möglichkeit gegeben, als Alternative Übergangskonstruktionen von anderen Herstellern vorzuschlagen. Bieter A hatte das wirtschaftlichste Angebot zum Amtsvorschlag abgegeben. Bei Wertung der günstigeren Alternativposition war sein Angebot jedoch auf dem zweiten Platz gelandet. A hat darauf erst nach Erhalt des Informationsschreibens gemäß § 101a GWB die Ausschreibung gerügt. Der AG sah die Rüge gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB als verspätet (präkludiert) an.

Das OLG hat – ebenso wie die vorinstanzliche Vergabekammer – den AG verpflichtet, das Vergabeverfahren zurückzuversetzen und die Angebote neu zu bewerten. Die Rüge des A sei hier nicht gemäß § 107 Abs. 3 GWB verspätet, da die Beantwortung der Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen Alternativpositionen vergaberechtlich zulässig seien, juristisches Spezialwissen erfordere, welches auch bei einem erfahrenen Bieter nicht vorausgesetzt werden könne. Hier sei die gewählte Ausschreibungstechnik vergaberechtswidrig gewesen. Der AG dürfe nicht nach Belieben Grund- und Alternativpositionen ausschreiben. Zwar sei das anders als für Eventualpositionen (siehe § 7 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A) nicht gesetzlich geregelt. Ein solches Vorgehen gefährde jedoch die das Vergaberecht bestimmenden Grundsätze, insbesondere die Transparenz des Verfahrens (§ 97 Abs. 1 GWB). Das Vergabehandbuch des Bundes (VHB 2014) verbiete deshalb Wahlpositionen sogar völlig. Nach der Rechtsprechung dürften Wahl- oder Alternativpositionen ebenso wie Bedarfspositionen nur ganz ausnahmsweise in das LV aufgenommen werden, wenn ein bestimmtes berechtigtes Bedürfnis des AG bestehe, die zu beauftragende Leistung einstweilen offen zu halten. Dabei rechtfertige auch ein grundsätzlich berechtigtes Interesse die Aufnahme einer Wahlposition dann nicht, wenn das Ziel auf anderem Wege verwirklicht werden könne (VK Bund vom 18.06.2012, VK 2-53/12). Das Interesse, den Markt für alternative Angebote abzufragen, rechtfertige diese Ausschreibungstechnik nicht. Denn entweder könne die Leistung herstellerunabhängig beschrieben werden, dann hätte der AG von vornherein produktneutral ausschreiben müssen, oder es komme aus technischen Gründen nur ein bestimmtes Produkt in Frage – dann wäre dieses zwingend vorzugeben gewesen, was ausnahmsweise gerechtfertigt sein könne. Bei Bewertung nur des Preises als Zuschlagskriterium dürfe aber nicht alternativ zur vorgegebenen Ausführung eine Wahlposition abgefragt werden, da hier kein Raum bestehe, Qualitätsunterschiede zu bewerten; denn für eine Abwägung der Vor- und Nachteile alternativer Lösungen bestehe gar keine Möglichkeit.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Eine zu begrüßende, da sehr klare Entscheidung, die die bisherige Rechtsprechung zu Alternativ- bzw. Wahlpositionen fortschreibt. Grundsätzlich sind Wahl- und Alternativpositionen im LV unzulässig – es sei denn, der Auftraggeber kann ein wirklich berechtigtes Interesse an dieser Ausschreibungstechnik dartun. Lediglich der Wille des AG, am Markt zu erkunden, welche technischen Lösungen möglich sind, rechtfertigen auf keinen Fall die Ausschreibung von Alternativ- oder Wahlpositionen. Auftraggebern ist daher eindeutig zu raten, von dieser Ausschreibungstechnik die Finger zu lassen – nicht umsonst verbietet das VHB Bund 2014 Wahlpositionen kategorisch – worauf das OLG ausdrücklich hinweist.

 

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