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Zur Bedeutung von Preisblättern in der Angebotswertung

05.05.2015

von RA Michael Werner

Das OLG Koblenz hat mit Beschluss vom 19.01.2015 – Verg 6/14 – u.a. Folgendes entschieden:

• Die Angaben in den Formblättern 221 – 223 des Vergabehandbuchs des Bundes (VHB) sind ein Instrument zur Preisprüfung nach § 16 Abs. 6 EG-VOB/A; mit Abschluss der Angebotswertung werden sie bedeutungslos.

• Jedenfalls dann, wenn die Preisblätter nicht bereits (vorsorglich) mit dem Angebot vorzulegen sind, darf der Auftraggeber diese nicht allein deshalb nachfordern, weil er sich dies vorbehalten hat (oder dieses in einem Vergabehandbuch oder einer Dienstanweisung geschrieben steht). Vielmehr braucht er dafür einen Anlass im Sinne des § 16 Abs. 6 EG-VOB/A.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Abrissarbeiten im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Dabei verwendete er Formblätter aus dem Vergabehandbuch des Bundes (VHB). In der Aufforderung zur Angebotsabgabe wurden die Bieter darauf hingewiesen, dass sie die Formblätter 221 – 223 VHB (Zuschlagskalkulation, Endsummenkalkulation, Aufgliederung der Einheitspreise) nicht schon mit dem Angebot, sondern erst auf gesondertes Verlangen des AG vorlegen sollten. Hierzu forderte der AG auch den für den Zuschlag vorgesehenen Bieter A auf. Dessen Angebot wies keinen auffallend niedrigen Preis auf. A reichte die Formblätter fristgerecht ein und sollte den Zuschlag erhalten. Bieter B beanstandete dies mit einem Nachprüfungsantrag; die Vergabekammer gab B Recht, da das Angebot des für den Zuschlag vorgesehenen A wegen der inhaltlich unzureichenden Formblätter 222 und 223 VOB auszuschließen sei. Darauf griffen sowohl der AG als auch A die Entscheidung der Vergabekammer mit der sofortigen Beschwerde an.

Das OLG gibt dem AG sowie A Recht. Die Eintragungen in diesen Formblättern seien keine Preisangaben im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 3 EG-VOB/A, sodass § 16 Abs. 1 Ziff. c EG-VOB/A nicht einschlägig sei. Sie würden noch nicht einmal Vertragsbestandteil, weil im Vertrag nur die (Einheits-) Preise, nicht aber deren einzelne Elemente oder die Art ihres Zustandekommens vereinbart würden. Die Angaben in den Formblättern seien vielmehr ein Instrument zur Preisprüfung nach § 16 Abs. 6 VOB/A-EG: Sie hätten somit ausschließlich den Zweck, dem AG zu ermöglichen, auffällig erscheinende Angebotspreise auf Angemessenheit einer ersten Prüfung zu unterziehen und – falls erforderlich – eine gezielte Aufklärung vorzunehmen. Eine solche Preisprüfung sei nur dann zulässig, wenn ein Angebotspreis auffällig niedrig erscheine. Anderenfalls sei schon das bloße Aufklärungsverlangen des AG vergaberechtswidrig. Auch in diesem Fall könnten Angebote nicht wegen unzureichender Mitwirkung des Bieters an der überflüssigen Aufklärung ausgeschlossen werden.

Auch dann, wenn – wie hier – die Preisblätter nicht bereits (vorsorglich) mit dem Angebot vorzulegen seien, dürfe der AG diese nicht allein deshalb nachfordern, weil er sich dies vorbehalten habe (oder dies in einem Vergabehandbuch oder einer Dienstanweisung so geschrieben stehe). Vielmehr brauche er dafür einen Grund im Sinne des § 16 Abs. 6 VOB/A-EG, an dem es hier aber fehle.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Die Entscheidung ist deshalb schon von besonderem Interesse, weil es die Bedeutung von Preisblättern im Vergabeverfahren klarstellt. Speziell bei Bauvergaben entspricht es gängiger Praxis vieler Auftraggeber, erst nach Angebotsabgabe Preisblätter wie beispielsweise die Formblätter 221 – 223 VHB von allen Bietern anzufordern. Bieter erhalten dadurch quasi die Gelegenheit, durch Zurückhaltung der Preisblätter den Ausschluss ihrer Angebote zu veranlassen. Wenn aber nicht konkrete Anhaltspunkte für einen unangemessen niedrigen Angebotspreis vorliegen, ist ein solcher Angebotsausschluss rechtswidrig.

  Quelle:


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