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Zur Berücksichtigung von Erfahrungen bei der Eignungsprüfung

05.01.2016

von RA Michael Werner

Das OLG Karlsruhe hat mit Beschluss vom 10.07.2015 – 15 Verg 3/15 – Folgendes entschieden:

• Bei der Prognoseentscheidung, ob ein Bieter geeignet ist, darf ein Auftraggeber auch eigene Erfahrungen, die er mit einem Bieter in der Vergangenheit gemacht hat, in die Betrachtung mit einbeziehen.

• Grundlagen einer Prognoseentscheidung darüber, ob ein Bieter geeignet ist, müssen auf gesicherten Erkenntnissen beruhen, wobei der Auftraggeber nicht verpflichtet ist, eine gerichtsähnliches Verfahren zur Ermittlung der Tatsachen durchzuführen.

• Will ein Auftraggeber bei der Eignungsprüfung eigene Erfahrungen berücksichtigen, muss er den zugrunde liegenden Sachverhalt umfassend ermitteln und den Einwänden des Bieters mit angebrachter Sorgfalt nachgehen.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Fenster- und Fassadenarbeiten für den Neubau eines Universitäts-Lehrgebäudes im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Alleiniges Zuschlagskriterium war der Preis. Nicht präqualifizierte Bieter waren aufgefordert worden, drei Referenzbescheinigungen vorzulegen. Bieter A hatte das preislich günstigste Angebot vorgelegt. Der AG überprüfte die drei Referenzen u.a. anhand von zwei negativen Einträgen aus seiner eigenen Auftragsdatenbank. Aufgrund Zweifel an der Termintreue des Bieters A schloss der AG das Angebot mit der Begründung aus, es bestünden begründete Zweifel an der Eignung im Hinblick auf Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit. A stellt Nachprüfungsantrag.

Das OLG gibt hier dem Antrag des A recht und verpflichtet den AG zur Wiederholung der Eignungsprüfung. Um einen Bieter mangels Eignung von der Wertung auszuschließen, benötige der AG konkrete Anhaltspunkte, die ihm zuverlässige Rückschlüsse auf die mangelnde Leistungsfähigkeit ermöglichten. Hier habe der AG in seiner Prognoseentscheidung teilweise einen unzutreffenden, jedenfalls nicht ausreichendermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt. Bei den drei tiefen Referenzen habe er sich nicht mit dem Einwand des A auseinandergesetzt, dass A Terminverzögerungen nicht allein verschuldet habe, sondern auch andere Ursachen diese mitverursacht hätten. So habe der AG bei der ersten Referenz versäumt, einen Widerspruch zwischen dem Vermerk der ermittelnden Architekten und einen späteren Schreiben des zuständigen Hochbauamts aufzuklären. Bei den anderen Referenzen habe es der AG versäumt, den Einwänden nachtzugehen, die der Bieter im Laufe des Nachprüfungsverfahrens erhoben habe. So habe bei dem einem Referenzprojekt der Terminplan aufgrund bestimmter, zusätzlich erforderlich gewordener Arbeiten nicht eingehalten werden können. Beim anderen Projekt sei der Zuschlag erst einen Tag vor Ausführungsbeginn erteilt worden. Der AG sei verpflichtet gewesen, diesen Einwänden nachzugehen, denn der maßgebliche Zeitpunkt für die Eignungsfeststellung sei derjenige der wirksamen Zuschlagserteilung. So habe der AG seine Entscheidung im Informationsschreiben nach § 101a GWB sowie im Nichtabhilfeschreiben näher begründet. Jedoch habe er weder in diesen Schreiben noch in den Verfahrensschriftsätzen vor der Vergabekammer bzw. im Beschwerdeverfahren der weitergehenden Ermittlung der Tatsachengrundlagen nachgeholfen.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Auftraggeber in der Eignungsprüfung bisherige Eigenerfahrungen mit einem Bieter berücksichtigen. Ebenfalls entspricht es der Rechtsprechung, dass es nicht auf den Zeitpunkt der Eignungsprüfung, sondern auf denjenigen der Zuschlagserteilung entscheidend ankommt. Der AG hätte sich also hier rechtzeitig mit den Einwänden des A auseinandersetzen müssen. Zwar muss der AG bei dieser Prüfung – nach der oben genannten Entscheidung – nicht ein gerichtsähnliches Verfahren zur Tatsachenermittlung durchführen. Dennoch muss der AG den zugrunde liegenden Sachverhalt ermitteln und den Einwänden des Bieters sorgfältig nachgehen, um nicht Gefahr zu laufen, die gesamte Eignungsprüfung – wie hier – wiederholen zu müssen.

  Quelle:


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