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Zur Bindung des Auftraggebers an seine Eignungsentscheidung

08.11.2013

Das OLG Jena hat mit Beschluss vom 16.09.2013 – 9 Verg 3/13 – u.a. Folgendes entschieden:

• Die einzelnen Wertungsstufen (formale Prüfung, Eignung, Angemessenheit des Preises, engere Auswahl) sind grundsätzlich nacheinander und getrennt voneinander abzuarbeiten.

• Hat ein öffentlicher Auftraggeber die Eignung eines Bieters bejaht, ist er daran grundsätzlich gebunden und bei unveränderter Sachlage im Allgemeinen gehindert, von seiner ursprünglichen Beurteilung abzurücken.

• Nur neu auftretende oder bekannt werdende Umstände, die seine Entscheidung in Frage stellen könnten, hat er auch nach bereits positiv abgeschlossener Wertung der Eignung eines Bieters in jeder Phase des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte den Umbau einer Bahntrasse im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Obwohl Zuschlagskriterium allein der Preis war, waren Nebenangebote zugelassen (Konstellation äußerst umstritten!). Bieter A gab ein Hauptangebot mit dem niedrigsten Preis ab. Der AG prüfte die Eignung des A ausführlich und forderte ihn zur Nachreichung von Referenzen auf. Schließlich kam er zu dem Schluss, dass A die von ihm verlangten Eignungskriterien nicht erfülle; gleichwohl entschied er, dass A die Leistung ordnungsgemäß erbringen könne. Nach Wertung der Angebote beabsichtigte der AG den Zuschlag auf ein Nebenangebot des Bieters B zu erteilen. Nach entsprechenden Rügen beantragte A ein Nachprüfungsverfahren, da die Wertung von Nebenangeboten hier unzulässig sei. Darauf hielt der AG den A für ungeeignet. Die VK gab dem Nachprüfungsantrag des A recht. Hiergegen legte der AG sofortige Beschwerde zum OLG ein.

Auch das OLG gibt dem A recht. Ein Ausschluss des Hauptangebotes des A wegen mangelnder Eignung komme hier nicht in Betracht. Vielmehr sei der AG an seine positive Eignungsentscheidung gebunden. Der AG habe hier die Eignung des A ausführlich geprüft, ihn zur Nachreichung von Referenzen aufgefordert und sei danach zu dem Ergebnis gekommen, dass A die vermeintlich verlangten Eignungskriterien eigentlich nicht erfülle, ein Ausschluss aber unbillig sei und A die ausgeschriebene Leistung wohl ordnungsgemäß erbringen könne. Erst nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens habe der AG einen neuen Vergabevermerk erstellt und sei ohne neue Erkenntnisse zu dem Ergebnis gekommen, dass A doch nicht geeignet und sein Angebot nicht zu werten sei; dabei meinte er, es sei ihm unbenommen, bis zum Zuschlag zu einer besseren Erkenntnis zu gelangen.

Die einzelnen Wertungsstufen (formale Prüfung, Eignung, Angemessenheit des Preises, engere Auswahl) seien grundsätzlich nacheinander und getrennt voneinander abzuarbeiten. Hinsichtlich der Eignungsprüfung bzw. seiner Prognoseentscheidung stehe dem AG ein Beurteilungsspielraum zu, der nur begrenzt überprüfbar sei. Dabei sei bis zum Zuschlag eine Fehlerkorrektur möglich.

Habe ein öffentlicher AG jedoch in Ausübung seines Beurteilungsspielraums die Eignung bejaht, sei er daran grundsätzlich gebunden und bei unveränderter Sachlage im Allgemeinen gehindert, von seiner ursprünglichen Beurteilung abzurücken und die Eignung eines Bieters nunmehr zu verneinen. Nur neu auftretende oder bekannt werdende Umstände, die seine Entscheidung in Frage stellen könnten, habe er auch nach bereits positiv abgeschlossener Wertung der Eignung eines Bieters in jeder Phase des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen. Solche neuen Erkenntnisse seien hier jedoch nicht ersichtlich. Alle von ihm zum Ausschluss des Angebotes des A genannten Umstände seien dem AG vor dem Versenden der Bieterinformationen bereits bekannt und in seine im Vergabevorschlag enthaltene Abwägung eingestellt gewesen.

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RA Michael Werner

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ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:
Die Entscheidung stellt nachvollziehbar dar, dass der Auftraggeber an eine einmal getroffene positive Eignungsentscheidung grundsätzlich gebunden ist – es sei denn, dass neu auftretende oder bekannt werdende Umstände ihn dazu berechtigen, seine Entscheidung in Frage zu stellen. Die Vergabestelle kann daher nicht einfach ihre Beurteilung der Eignung eines Bieters ändern, auch wenn bis zum Zuschlag eine Fehlerkorrektur grundsätzlich möglich ist.

  Quelle: RA Michael Werner


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