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Zur Dokumentierung von mündlichen Präsentationen

26.10.2022

Die Vergabekammer des Bundes (VK Bund) hat mit Beschluss vom 13.04.2022 – VK 1-31/22 – u.a. folgendes entschieden:

Für den Bereich der Ingenieur- und Architektenleistungen stellt die mündliche Präsentation von Planung und Team ein übliches Verfahren bei der Auswahl des am besten erscheinenden Bieters dar. Dabei sind die Anforderungen an den Detaillierungsgrad des Vergabevermerks aus Gründen der Nachvollziehbarkeit besonders hoch, wenn die qualitative Bewertung im Wesentlichen auf einer mündlichen Vorstellung der zur Verhandlungsrunde zugelassenen Büros beruht.

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RA Michael Werner

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Objektplanung zur Sanierung eines Gebäudes im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb nach VgV europaweit ausgeschrieben. Nach Bekanntmachung waren die Zuschlagskriterien folgendermaßen gewichtet: 25 % das (HOAI-) Honorar, die restlichen 75 % entfielen auf eine Bewertung des Projektteams, der Projektanalyse, Angaben zur Qualitätssicherung sowie auf das Gesamtbild der Präsentation des Bieters im Verhandlungsgespräch. Für die Präsentation waren 45 Minuten, für Fragen des Wertungsgremiums 20 Minuten vorgesehen. Die Bewertung der einzelnen Qualitätskriterien wurde vom Wertungsgremium teilweise direkt in die Wertungsmatrix mit kurzen Ausführungen eingetragen, teilweise wurde das Ergebnis handschriftlich zur Vergabeakte genommen und lediglich ein Punktwert in die Matrix eingetragen. Das Gesamtbild der Präsentation des Bieters wurde in dem handschriftlichen Vermerk mit Schulnoten bewertet. Dazu gab es für jeden Bieter eine „Niederschrift des Vergabegespräches“ mit kurzen Stichpunkten auf eineinhalb Seiten, wobei ein inhaltlicher Bezug zur Bewertungsmatrix nicht hergestellt wurde. Die „Fragerunde“ des AG an die Bieter wurde zudem nicht protokolliert. Das Angebot des erstplatzierten Bieters B wurde mit 58,31 Punkten, das des Bieters A mit 57,50 Punkten von 100 bewertet. Nach erfolgloser Rüge beantragte A Nachprüfung zur VK.
Die VK gibt Bieter A Recht, da die hier vom AG vorgenommene Wertung der Präsentation des A nicht ausreichend dokumentiert sei und deshalb gegen § 8 VgV verstoße. Der Zuschlag dürfe daher wegen mangelhafter und nicht nachvollziehbarer qualitativer Bewertung der Gesamtpräsentation nicht erteilt werden.

Der öffentliche Auftraggeber habe gemäß § 8 Abs. 1 VgV das Vergabeverfahren fortlaufend in Textform nach § 126b BGB zu dokumentieren, soweit dies für die Begründung von Entscheidungen auf jeder Stufe des Vergabeverfahrens erforderlich sei. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 VgV fertige er einen Vermerk in Textform mit den in Satz 2 aufgeführten Mindestinhalten. Die im Vergabevermerk enthaltenen Angaben und die mitgeteilten Gründe für getroffene Entscheidungen müssten so detailliert sein, dass sie für einen mit der Sachlage des jeweiligen Vergabeverfahrens vertrauten Leser nachvollziehbar seien. Dabei seien nach der Rechtsprechung die Anforderungen an den Detaillierungsgrad aus Gründen der Nachvollziehbarkeit größer, wenn es um die Dokumentation von Entscheidungen gehe, die die Ausübung von Ermessen oder die Ausfüllung eines Beurteilungsspielraums enthielten. Letztere könnten nur eingeschränkt von den Nachprüfungsinstanzen überprüft werden. Geprüft werde, ob der Auftraggeber das vorgeschriebene Verfahren eingehalten habe, von einem zutreffenden bzw. hinreichend überprüften Sachverhalt ausgegangen worden sei, keine sachwidrigen Erwägungen für die Entscheidung verantwortlich wären oder der Beurteilungsmaßstab zutreffend angewandt worden sei.
Für den Bereich der Ingenieur- und Architektenleistungen stelle die mündliche Präsentation von Planung und Team grundsätzlich ein übliches Verfahren bei der Auswahl des am besten erscheinenden Bieters dar (zur Zulässigkeit mündlicher Präsentationen im Vergabeverfahren siehe z.B. VK Bund, B. v. 22.11. 2019, VK 1-83/19). Bei einer solchen Dienstleistung sei nicht nur das geplante Objekt an sich, sondern auch die geplante Ausführung durch den Auftragnehmer vom Auftraggeber einzuschätzen und zu bewerten. Dabei seien die Anforderungen an den Detaillierungsgrad des Vergabevermerks aus Gründen der Nachvollziehbarkeit besonders hoch, wenn die qualitative Bewertung im Wesentlichen auf einer mündlichen Vorstellung der zur Verhandlungsrunde zugelassenen Büros beruhe. Ein hinreichendes Maß an Detailierung sei insbesondere auch deshalb geboten, um den Nachprüfungsinstanzen eine Überprüfung der Wertungsentscheidung des Auftraggebers überhaupt erst zu ermöglichen.

Im vorliegenden Fall sei die Bewertung des Wertungsgremiums für die VK an vielen Stellen schlicht nicht hinreichend nachvollziehbar, so dass aufgrund des hier gegebenen sehr knappen Wertungsergebnisses nicht ausgeschlossen werden könne, dass Bieter A bei der Bewertung benachteiligt worden sein könnte. So habe der AG im Kriterium „Gesamtbild der Präsentation“ laut handschriftlicher Notiz Schulnoten vergeben und diese anschließend umgerechnet, um sie in das Wertungsschema von 100 Punkten einzupassen. Die Umrechnung sei aber nicht korrekt erfolgt. Der AG habe keinen Umrechnungsmodus vorgegeben und stattdessen - wie er selbst vortrage - eine passende Endpunktzahl im Rahmen seines Beurteilungsspielraums ermittelt. Die "freihändige" Ermittlung einer abweichenden Punktzahl im Anschluss an eine bereits festgelegte Schulnote stelle allerdings eine intransparente Veränderung der Wertungsergebnisse dar. Eine solchermaßen ins Belieben gestellte Vorgehensweise mache die Wertung sachwidrig und überschreite den Beurteilungsspielraum des AG.

Zudem seien Fragen des AG sowie darauf erfolgte Antworten aus dem 20-minütigen Bietergespräch, das mit jedem Bewerber geführt worden sei, nicht dokumentiert. Dokumentiert sei jeweils nur der Ablauf der Gespräche mit einer kurzen Beschreibung der Inhalte. Es könne daher durch die VK nicht überprüft werden, ob in den Gesprächen wertungsrelevante Fragen gestellt worden seien und ob Antworten der Bieter gegebenenfalls Eingang in die Wertung der Unterkriterien gefunden hätten. Diese fehlende Dokumentation verursache insoweit ein weiteres Transparenzdefizit.

Anmerkung:

Vergaben von freiberuflichen Leistungen, d.h. beispielweise Architekten- und Ingenieurleistungen finden regelmäßig im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb gemäß § 14 Abs. 3 VgV statt. Im Rahmen dieses Verfahrens werden sehr oft auch Qualitätskriterien, die sich aus den mündlichen Präsentationen der Bieter ergeben, bewertet. Wie die Entscheidung zeigt, sind speziell bei der Bewertung dieser mündlichen Präsentationen ganz besonders hohe Anforderungen an die Dokumentation zu stellen. Fehlt es daran, ist es einer VK im Rahmen der Nachprüfung regelmäßig nicht möglich, die Wertung plausibel nachzuvollziehen. Deshalb sollte der AG auf eine gut nachvollziehbare und verständliche Dokumentation der Bewertung von mündlichen Präsentationen ganz besonders hohen Wert legen.

  Quelle: RA Michael Werner


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