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Zur Eignung eines außerordentlich gekündigten Auftragnehmers bei Neuausschreibung

18.01.2013

Das OLG München hat mit Beschluss vom 5. Oktober 2012 – Verg 15/12 - u. a. folgendes entschieden:

Schreibt der öffentliche Auftraggeber nach der Kündigung eines Bauauftrages die Bauleistung erneut aus, ist der gekündigte Unternehmer nicht von vornherein von der Teilnahme am Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen.


Die Erfahrungen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Auftragsverhältnisses geführt haben, können die Prognose rechtfertigen, dass bei
erneuter Beauftragung dieses Bieters nicht mit einer ordnungsgemäßen Leistungsabwicklung zu rechnen ist, ohne dass im Nachprüfungsverfahren
positiv festgestellt werden muss, dass die außerordentliche Vertragskündigung durch den Auftraggeber gerechtfertigt war.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte ein Bauunternehmen (AN) mit der Errichtung eines Kindergartens beauftragt. Während der Bauausführung kam es zwischen den Parteien zu erheblichem Streit über Termine und Qualität der Bauausführung, die letztlich in Strafanzeigen des AN wegen unwahrer Behauptungen des AG kulminierten. Darauf kündigte der AG dem AN außerordentlich und schrieb die verbliebenen Bauleistungen erneut aus. An diesem neuen Vergabeverfahren beteiligte sich nun der AN erneut mit einem Angebot, das in der Submission den ersten Platz belegte. Der AG schloss das Angebot des AN darauf wegen nachweislich begangener schwerer Verfehlungen (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 c VOB/A) sowie fehlender Zuverlässigkeit (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A) vom Verfahren aus. Der hiergegen eingelegte Nachprüfungsantrag des AN war erfolgreich – die Vergabekammer untersagte dem AG, das Angebot des AN auszuschließen. Zudem wurde dem AG aufgegeben, die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen. Der AG erhob hiergegen seinerseits sofortige Beschwerde zum OLG. Das OLG bestätigt den Ausschluss des AN. Es ist dabei der Ansicht, dass ein zuvor gekündigter Auftragnehmer nicht zwingend als ungeeignet anzusehen sei. Die Eignung eines Bieters sei vielmehr stets für das jeweilige konkrete Verfahren individuell zu ermitteln. Der AG dürfe bei der Eignungsprüfung des Bieters, also der Prognose, ob ein Bieter nach seiner personellen, finanziellen und technischen Ausstattung in der Lage sein werde, den Auftrag durchzuführen, Erfahrungen mit einbeziehen, die er mit dem Bieter selbst in der Vergangenheit gemacht habe, ohne hierauf gesondert in der Vergabebekanntmachung oder den Ausschreibungsunterlagen hinweisen zu müssen. Die Feststellung der Eignung des Bieters sei das Ergebnis einer fachlich-tatsächlichen Prognose auf Basis gesicherter Erkenntnisse des AG, die die Vergabestelle im Rahmen eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums treffe. Eigene Erfahrungen mit einem bestimmten Bieter in der Vergangenheit und gesicherte eigene Erkenntnisse des Ausschreibenden seien eine geeignete Grundlage der Prognoseentscheidung. Umstände, die eine außerordentliche Kündigung des Bauvertrags rechtfertigten, trügen in aller Regel auch die Prognose, dass ein Bieter auch bei einer erneuten Beauftragung das Werk nicht zuverlässig oder ordnungsgemäß fertigstellen werde. In einem Nachprüfungsverfahren müsse von den Nachprüfungsinstanzen jedoch nicht abschließend festgestellt werden, ob eine außerordentliche Vertragskündigung durch den AG gerechtfertigt war oder nicht. Dies zu entscheiden sei vielmehr Sache der Zivilgerichte. Im vorliegenden Fall bestünden – unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Kündigung – keine Zweifel daran, dass es für den AG unzumutbar sei, Bieter A erneut mit Durchführung der Leistung zu beauftragen. Zwar reichten übliche Meinungsverschiedenheiten über Sach- und Rechtsfragen ebenso wenig aus, die Eignung bei der Vergabe eines neuen Auftrags zu verneinen, wie ein anhängiger Gerichtsprozess. Vorliegend gingen die Konflikte der Beteiligten und die damit verbundene Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses jedoch weit über das übliche Maß hinaus (gegenseitige Beschuldigung, wechselseitige Bezichtigung von Straftaten). Daher sei der Ausschluss des AN hier gerechtfertigt.

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Anmerkung:
Grundsätzlich müssen Auftraggeber die Bietereignung einzelfallbezogen prüfen. Dabei kann der AG sowohl eigene als auch Erfahrungen Dritter mit diesem Bieter berücksichtigen. Ist allerdings das Vertrauensverhältnis – wie hier – derartig zerrüttet, wird der AG im Rahmen der Neuausschreibung im Regelfall den gekündigten Auftragnehmer als ungeeignet ausschließen bzw. – z. B. im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung – gar nicht erst zur Angebotsabgabe auffordern.

  Quelle: RA Michael Werner


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