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Zur Geeignetheit eines gekündigten Auftragnehmers bei Neuvergabe

20.09.2013

Das OLG München hat mit Beschluss vom 01.07.2013 – Verg 8/13 – Folgendes entschieden:

Bei der Ausschreibung von Restarbeiten eines vom Auftraggeber außerordentlich gekündigten Bauvertrages darf der öffentliche Auftraggeber bei der Prognose, ob der gekündigte Unternehmer zur ordnungsgemäßen Ausführung der Restarbeiten geeignet ist, die frühere konfliktreiche Vertragsabwicklung berücksichtigen.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte im Nichtoffenen Verfahren nach öffentlichen Teilnahmewettbewerb Instandsetzungen einer historischen Natursteingewölbebrücke ausgeschrieben und den Auftragnehmer (AN) mit dem ersten Bauabschnitt beauftragt. Während der Bauarbeiten kam es zu erheblichen Differenzen zwischen den Vertragsparteien. Der AG hatte darauf nach Kündigungsandrohung mit Fristsetzung den Vertrag gemäß § 8 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 4 VOB/B fristlos gekündigt. Als Grund hatte er Leistungsverzug, vertragswidriges Verhalten und Zerstörung des Vertrauensverhältnisses angegeben. Mit den Restarbeiten hatte er darauf nach Durchführung eines Nichtoffenen Verfahrens ein drittes Unternehmen beauftragt. Den AN hatte er wegen seiner „konfliktreichen und unbefriedigenden Arbeitsweise“ nicht mehr zur Angebotsabgabe aufgefordert und ihm dies auch mitgeteilt. Der AN stellte daraufhin Nachprüfungsantrag. Die erstinstanzliche Vergabekammer hatte diesen abgelehnt. Dagegen erhob er sofortige Beschwerde beim OLG.

Nach Ansicht des OLG bleibt die sofortige Beschwerde erfolglos. Bei der Eignungsprüfung überprüfe der AG die Eignung mittels einer Prognoseentscheidung; diese Prognose betreffe die Frage, ob der Bieter über die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit verfüge, um den konkret ausgeschriebenen Auftrag ordnungsgemäß ausführen zu können. Wie bei jeder Prognoseentscheidung stehe dem AG ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar sei. Stellten sich später Anhaltspunkte dafür heraus, dass der Bieter keine Gewähr für eine ordnungsgemäße Auftragsdurchführung biete, dürften diese Erkenntnisse noch berücksichtigt werden; denn der AG dürfe nicht sehenden Auges zu einem Vertragsschluss gezwungen werden, der die Gewähr für einen reibungslosen Ablauf nicht biete. Dies gelte auch für den Fall, dass der AG das Vertragsverhältnis gekündigt habe und die Restarbeiten neu ausschreibe. Der AG dürfe Erfahrungen mit einbeziehen, die er selbst mit einem bestimmten Bieter in der Vergangenheit gemacht habe, insbesondere wenn er ihm den Auftrag entzogen habe. Unzweifelhaft seien die Grenzen des Beurteilungsspielraums des AG nicht überschritten, wenn der AG den AN im Nachprüfungsverfahren deshalb für unzuverlässig halte, weil er ihm rechtmäßig aus wichtigem Grund gekündigt habe, da dann eine negative Prognose für den selben Auftrag mehr oder weniger zwangsläufig aus dem Kündigungsgrund folge.

Im Nachprüfungsverfahren müsse nicht abschließend geklärt und festgestellt werden, ob eine außerordentliche Vertragsbeendigung durch den AG berechtigt gewesen sei oder nicht. Dies obliege den Zivilgerichten, die auch über mögliche Sekundäransprüche zu entscheiden hätten. Dem gegenüber unterlägen das Ausschreibungs- und das Nachprüfungsverfahren dem Beschleunigungsgrundsatz. Dem öffentlichen AG könne es nicht verwehrt sein, ein in die Krise geratenes Bauvorhaben bis zur endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung anderweitig fertig stellen zu lassen, zumal der Bieter durch die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche hinreichend geschützt sei.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:

Der Entscheidung ist mit Sicherheit zuzustimmen. Gerade bei schlechten Erfahrungen, erst recht bei ein und dem selben Auftrag, darf der AG nicht einer Selbstbindung unterliegen, den AN bis zur Beendigung der Arbeiten als geeignet anzusehen, wenn – wie hier – das Vertrauensverhältnis zerstört ist und aus diesem Grunde dem AN bereits gekündigt wurde.

  Quelle: RA Michael Werner


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