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Zur Information der Bewerber über Antworten auf Bieterfragen

06.08.2019

von RA Michael Werner

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Die Vergabekammer Thüringen hat mit Beschluss vom 25.04.2019 – 250-4002-11352/2019 – N-006-EF – folgendes entschieden:

Antworten auf Bieterfragen sind – soweit es in ihnen um Informationen geht, die über das individuelle Interesse des Fragenden auch für die übrigen Bewerber von Bedeutung sein können – den anderen Bietern zeitgleich und im selben Umfang bekannt zu machen. Voraussetzung ist, dass es sich um zusätzliche sachdienliche Auskünfte handelt.

Der Begriff der zusätzlichen sachdienlichen Auskünfte ist weit auszulegen. Sachdienlich sind Auskünfte, wenn sie objektiv mit der Sache zu tun haben
und Missverständnisse ausräumen oder Verständnisfragen zu den Vergabeunterlagen beantworten.

Im Zweifel muss der Auftraggeber die zusätzlichen sachdienlichen Auskünfte allen Bewerbern erteilen.

Allenfalls im Einzelfall kann der Auftraggeber eine Bieterfrage individuell beantworten, wenn sie offensichtlich das individuelle Missverständnis eines
Bieters betrifft, die allseitige Beantwortung der Frage Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse verletzt oder die Identität des Bieters preisgeben würde.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Straßenbauleistungen auf der e-Vergabe-Plattform gemäß VOB/A öffentlich ausgeschrieben. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe war vorgegeben, dass die Kommunikation ausschließlich elektronisch über die Vergabeplattform erfolgen sollte. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Vor Ablauf der Angebotsfrist am 26.02.2019 hatte Bieter A eine Bieteranfrage über die Vergabeplattform an den AG gestellt, die 4 Fragen, u. a. zur Kalkulation von LV-Positionen beinhaltete.

Der AG beantwortete die Frage 3 (zur Beseitigung von Brandrückständen nach Unfällen) und gab die Antwort über die Plattform online allen Bewerbern zur Kenntnis. Daneben beantwortete er auch die Fragen 1, 2 und 4, ließ diese Antworten aber nur dem A per Fax am 22.02.2019 zukommen. Bis zur Submission waren nur 2 Angebote eingegangen, darunter auch das des Bieters B, welches nicht den Zuschlag erhalten sollte. B rügte darauf, er habe erst im Nachgang zur Submission festgestellt, dass das Antwortschreiben vom 22.02.2019 nicht in die Vergabeplattform eingestellt worden war, sodass die Antworten auf die Fragen 1, 2 und 4 nur dem A übermittelt worden seien. Der AG half mit Schreiben vom 05.04.2019 der Rüge nicht ab, sondern teilte mit, er habe bewusst von der Veröffentlichung der Antworten abgesehen, da hier keine kalkulationsrelevanten und über die Informationen aus der Leistungsbeschreibung sowie die allgemeinen Regeln der Technik hinausgehenden Informationen bekanntgegeben wurden. B beantragte Nachprüfung.

Die VK gibt Bieter B Recht, da das durchgeführte Verfahren rechtswidrig sei. Der AG habe seine Antworten auf die Fragen 1, 2 und 4 nur dem Bieter A, nicht aber auch allen anderen Bietern zugänglich gemacht und damit gegen die Grundsätze der Transparenz des Vergabeverfahrens und der Gleichbehandlung aller Bieter verstoßen. Zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbes seien im Zuge eines transparenten Vergabeverfahrens (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A) alle Beteiligten gleich zu behandeln. Das Gleichbehandlungsgebot werde durch eine Reihe von Verfahrensbestimmungen umgesetzt, insbesondere auch durch § 2 Abs. 2 VOB/A, wonach bei der Vergabe von Bauleistungen kein Unternehmen diskriminiert werden dürfe; zudem aber auch durch § 12a Abs. 4 VOB/A, wonach dann, wenn Unternehmen zusätzliche sachdienliche Auskünfte über die Vergabeunterlagen erbitten, würden, diese Auskünfte allen Unternehmen unverzüglich in gleicher Weise zu erteilen seien.

Laut den Ausführungen der VK Sachsen (Beschluss vom 24.08.2016 – 1/SVK/017-16) seien Antworten auf Bieterfragen – soweit es in ihnen um Informationen gehe, die über das individuelle Interesse des Fragenden auch für die übrigen Bewerber von Bedeutung sein könnten – den anderen Bietern zeitgleich und im selben Umfang bekannt zu machen. Dementsprechend habe der AG grundsätzlich jede Auskunft, die er einem anfragenden Bieter gebe, auch allen anderen Bietern zu erteilen. Voraussetzung dafür sei, dass es sich um zusätzliche Auskünfte handele. Der Begriff der zusätzlichen Auskünfte sei dabei weit auszulegen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung erfordere, dass der AG die zusätzlichen sachdienlichen Auskünfte im Zweifel allen Bewerbern erteile, mithin allseitig informiere und nicht nur individuell. Der AG könne allenfalls im Einzelfall eine Bieterfrage individuell beantworten, wenn sie offensichtlich das individuelle Missverständnis eines Bieters betreffe, die allseitige Beantwortung der Frage Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse verletze oder die Identität des Bieters preisgeben würde.

Sachdienlich seien Auskünfte, wenn sie objektiv mit der Sache zu tun hätten und Missverständnisse ausräumten oder Verständnisfragen zu den Vergabeunterlagen beantworteten. Das Auskunftsersuchen des A zu den Fragen 1, 2 und 4 habe in diesem Sinne sachdienliche und auch zusätzliche Auskünfte zu den Vergabeunterlagen verlangt, hier u. a. betreffend den Inhalt der Leistungsbeschreibung und von Positionen des LV (Menge und Ausmaß der Sanierungsstellen, bzw. Berücksichtigung von Punkt 1.3 der ZTV AsphaltStB bei der Verkehrsfreigabe), sodass diese Auskünfte allen Bewerbern zu erteilen gewesen wären. Ein offensichtliches individuelles Missverständnis bzw. Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder der Schutz der Bieteridentität seien hier nicht ersichtlich. Dass der AG meine, nur zu (aus seiner Sichtweise) neuen und kalkulationsrelevanten Informationen Auskünfte erteilen zu müssen, enthebe ihn nicht von seiner Verpflichtung, grundsätzlich jede Auskunft, die er einem anfragenden Bieter gebe, auch allen anderen Bietern zu erteilen. Dies ergebe sich bereits aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung und der Bedeutung einer einheitlichen Informationsbasis aller Bieter für den Erhalt vergleichbarer Angebote und damit für einen fairen Wettbewerb.

Besonders wichtig sei daneben aber auch die Herstellung von Transparenz. Jeder Bieter müsse sein Angebot in dem Vertrauen erstellen können, dass er über dieselben Informationen verfüge wie seine Mitbewerber. Müsse er befürchten, dass ohne sein Wissen Informationen flössen, so erschüttere dies das Vertrauen in den gleichbehandelnden Vergabewettbewerb. Bieter, die keine Informationen über Fragen und Antworten erhielten, hätten keine Chance, von diesen Vorgängen überhaupt Kenntnis zu erlangen. Eine Nichtveröffentlichung stelle grundsätzlich einen Widerspruch zu einem transparent ausgestalteten Vergabeverfahren dar (VK Bund, Beschlüsse vom 27.01.2017 – VK 2-131/16 und vom 28.01.2017 – VK 2-129/16).

Unabhängig davon habe hier der AG gegenüber dem B auch den falschen Kommunikationsweg benutzt. Denn für die Kommunikation habe der Auftraggeber selbst – transparent und für alle Bewerber und Bieter gleich – die Vorgabe „elektronisch über die Vergabe-plattform“ gemacht. Daran müsse er sich jedenfalls solange festhalten lassen, bis er für die Bieter transparent eine anderslautende Regelung treffe, was hier aber nicht der Fall gewesen sei.

Das Vergabeverfahren sei daher rechtswidrig. Der Auftraggeber war nach alledem zu verpflichten, das Vergabeverfahren in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen und, bei Fortbestehen der Vergabeabsicht, den Bewerbern und Bietern erneut die Gelegenheit zur Abgabe von
Angeboten zu geben.

Anmerkung:
Die Gleichbehandlung aller Bieter ist einer der tragenden Grundsätze des Vergaberechts. Der AG hat daher sicherzustellen, dass alle Bieter von ein- und demselben Informationsstand ausgehen. Vor diesem Hintergrund kann den Auftraggebern nur geraten werden, bei Bieteranfragen zu den Vergabeunterlagen nicht im einzelnen zu differenzieren, ob sachdienliche Informationen vorliegen oder nicht, sondern besser grundsätzlich dafür zu sorgen, dass sämtliche Bieteranfragen sowie die Antworten darauf an alle Bieter gleichzeitig weitergegeben werden. Einzige Ausnahme davon dürfte das (relativ seltene) Vorliegen der im Tenor der Entscheidung unter Nr. 4 genannten Voraussetzungen sein.

  Quelle:


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