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Zur Nachforderung fehlender Unterlagen

23.06.2015

Von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 25.03.2015 – 3 VK LSA 7/15 – Folgendes entschieden:

• Die Nachforderung von Unterlagen ist dann zulässig, wenn diese gänzlich fehlen, nicht aber bei Unterlagen, die unvollständig ausgefüllt sind.

• Werden in den Vergabeunterlagen Nachweise zur Preisermittlung gefordert, sind solche Nachweise für die Vergabeentscheidung relevant. Ein Nachholen von Angaben der körperlich vorliegenden, jedoch nicht ausgefüllten Preisblätter unterliegen deshalb nicht der Nachforderungspflicht durch den Auftraggeber.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte im Wege der öffentlichen Ausschreibung auf Basis der VOB/A eine Brandschutzgrundsicherung ausgeschrieben. In den Bewerbungsbedingungen wurden die Bieter aufgefordert, die ihnen übergebenen Formblätter zur Preisermittlung bei Zuschlagskalkulation (Formblatt 221) bzw. bei Kalkulation über die Endsumme (Formblatt 222) mit dem Angebot vorzulegen. Im Formblatt 221 waren Angaben über den Verrechnungslohn, zu den Zuschlägen auf die Einzelkosten der Teilleistungen sowie zur Ermittlung der Angebotssumme anzugeben. Formblatt 222 beinhaltete darüber hinaus noch zusätzliche Angaben zur Zusammensetzung der Umlagesummen und eine weitere Aufgliederung der Baustellengemeinkosten. Bieter A hatte die Formblätter mit seinem Angebot eingereicht, jedoch ohne darin Angaben vorzunehmen. Darauf teilte der AG dem A mit, dass er wegen der fehlenden Angaben zur Kalkulation sein Angebot nicht berücksichtigen könne. Dies rügte A darauf mit Verweis auf § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A, der eine Nachforderung fehlender Unterlagen durch den AG vorsehe; er werde daher die Formblätter kurzfristig nachreichen. Der AG half der Rüge des A nicht ab und übergab die Vergabeunterlagen (gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 Landesvergabegesetz Sachsen-Anhalt) der Vergabekammer zur weiteren Entscheidung. A begehrt weiterhin, die Formblätter 221 und 222 nachzureichen und sein Angebot in der Wertung zu belassen.

Die Vergabekammer, die nach Landesrecht Sachsen-Anhalt hier (im Unterschwellenbereich) entscheiden kann, gibt dem AG Recht. Das Angebot des A müsse zwingend nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A unberücksichtigt bleiben, da es wegen der nicht ausgefüllten Formblätter unvollständig sei. Würden in den Vergabeunterlagen durch den AG Nachweise zur Preisermittlung gefordert, seien solche Nachweise für die Vergabeentscheidung relevant. Ein Nachholen von Angaben der körperlich vorliegenden, jedoch nicht ausgefüllten Preisblätter unterläge nicht der Nachforderungspflicht des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A durch den AG. Derartige Handlungen dürften nicht der nachträglichen Verbesserung bzw. Veränderung eines Angebots dienen. Die Regelung des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bezöge sich ausdrücklich nur auf fehlende Nachweise und Erklärungen, also solche, die tatsächlich körperlich fehlten. Habe ein Bieter einmal eine Erklärung oder einen Nachweis abgegeben, könne dieser nicht über die Vorschrift nachträglich noch einmal nachgebessert werden, sodass diese dann den Anforderungen genügten. Nachforderungen von Unterlagen seien dann zulässig, wenn diese gänzlich fehlten, nicht aber bei Unterlagen, die unvollständig ausgefüllt seien. Das Nachfordern solcher Unterlagen dürfe folglich nicht dazu führen, dass Bieter nach Ablauf der Angebotsfrist Nachbesserungsmöglichkeiten im Hinblick auf ihr Angebot erhielten. Dies würde eine unzulässige Nachverhandlung gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A darstellen.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
In der Vergabepraxis herrscht immer wieder Unklarheit, in welchem Falle Unterlagen nachgefordert werden können und wann nicht. Generell gilt: Es sind nur (körperlich) fehlende Unterlagen, nicht unvollständige gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nachzufordern. Soweit es – so zeigt die Entscheidung – allerdings um Angaben zur Preisermittlung geht, ist eine Nachforderung regelmäßig unzulässig. Hintergrund dafür ist, dass eine Nachforderungspflicht – vom ursprünglichen Schutzzweck der Norm – eigentlich ein versehentliches Unterlassen des Bieters voraussetzt. Bei der Vorlage eines regelmäßig abgeforderten, aber unausgefüllten Formulars spricht daher eher ein Anscheinsbeweis gegen ein solches Versehen des Bieters.

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