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Zur Preisaufklärung beim Einsatz von Nachunternehmern

26.07.2023

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 13.09.2022 – XIII ZR 9/20 – u.a. folgendes entschieden:


1. Aufklärung über die Preiskalkulation eines Nachunternehmers kann jedenfalls dann verlangt werden, wenn zu klären ist, ob das Angebot den Vorgaben im Leistungsverzeichnis entspricht.

2. Es ist einem Bieter grundsätzlich zumutbar, die zur Preisaufklärung erforderlichen Informationen bei seinem Nachunternehmer einzuholen.

3. Versteht der Bieter die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses falsch und gibt daher den deutlich höheren Preis einer Leistung an, die nach dem Leistungsverzeichnis gar nicht zu erbringen ist, enthält sein Angebot nicht den geforderten Preis, so dass es gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3, § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2016 auszuschließen ist.

 

Porträt des RA Werner

 

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Erd- und Rohbauarbeiten national nach VOB/A öffentlich ausgeschrieben. Gegenstand des Leistungsverzeichnisses (LV) waren u.a. auch die Aufnahme und Entsorgung von Bodenaushub in 5 Entsorgungsklassen. Es gingen mehrere Angebote ein; im Angebot des Mindestbieters A lagen in einzelnen Entsorgungsklassen die Einheitspreise (EP) ca. 500 % – 900 % über der Kostenermittlung, wobei das Angebot bezüglich der Erd- und Rohbauarbeiten den Einsatz eines Nachunternehmers (NU) vorsah. Darauf führte der AG mit allen Bietern Aufklärungsgespräche; beim Angebot des A vermutete der AG, dass – entgegen den eindeutigen Vorgaben im LV - Deponiekosten von A oder dessen NU einkalkuliert worden waren und damit eine unzutreffende Preisangabe vorliege. In der Folge erteilte der AG daher den Zuschlag auf das Angebot des Bieters B. A klagte darauf auf Schadensersatz, da der Zuschlag auf sein Angebot hätte erteilt werden müssen. Das erstinstanzliche LG hatte die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht (OLG) der Klage stattgegeben. Der AG ging dagegen in Revision zum BGH.

Der BGH gibt dem AG Recht. Unstreitig sei, dass der AG hier berechtigt gewesen sei, gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A von den Bietern Aufklärung hinsichtlich der Korrektheit der von ihnen angegebenen EP zu verlangen. Nach ständiger Rechtsprechung sei anerkannt, dass öffentliche Auftraggeber ein durch § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2016 geschütztes Interesse daran hätten, dass die Preise durchweg korrekt angegeben werden. Nach dieser Regelung müssen die Angebote die geforderten Preise enthalten. Verstehe der Bieter die Vorgaben des - eindeutigen - Leistungsverzeichnisses falsch und gebe daher den deutlich höheren Preis einer Leistung an, die nach dem Leistungsverzeichnis gar nicht zu erbringen sei (hier: laden, abfahren und entsorgen einschließlich Deponiegebühren), enthalte sein Angebot nicht den geforderten Preis. Es sei daher gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2016 auszuschließen.

Unabhängig davon sei festzuhalten, dass der zum sparsamen und verantwortungsvollen Einsatz seiner Haushaltsmittel verpflichtete AG ohne zufriedenstellende Aufklärung über die Korrektheit der angegebenen Preise nicht gehalten gewesen sei, den Zuschlag auf das Angebot des A zu erteilen. Er habe ein berechtigtes Interesse an der Klärung, ob die Preise den eindeutigen Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entsprächen.

Diesem berechtigten Aufklärungsverlangen des AG stehe nicht entgegen, dass das Angebot des A hinsichtlich der Erd- und Rohbauarbeiten den Einsatz eines Nachunternehmers vorgesehen habe. Zwar sei es in der vergaberechtlichen Literatur streitig, ob Aufklärung über die Preiskalkulation eines Nachunternehmers verlangt werden könne. Das sei aber jedenfalls dann zu bejahen, wenn zu klären sei, ob das Angebot den Vorgaben im Leistungsverzeichnis entspreche oder gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3, § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2016 auszuschließen sei. Stünde der Umstand, dass der Bieter (auch) Nachunternehmerleistungen anbiete, in diesem Fall einer Aufklärung entgegen, hätte dies zur Folge, dass zwingend auszuschließende Angebote zu werten wären. Das stehe aber mit den Grundsätzen wettbewerblicher Vergabe ganz offensichtlich nicht in Einklang. Dem Bieter sei es auch ohne weiteres zumutbar, das Aufklärungsverlangen an seinen Nachunternehmer weiterzuleiten und die erforderlichen Informationen bei ihm einzuholen.

Schließlich hätte hier ein Zuschlag auf das Angebot des A - die Einberechnung der Deponiekosten unterstellt – auch zu einer erheblichen Übervorteilung des AG geführt. Aus Sicht eines verständigen Teilnehmers am Vergabeverfahren wäre das Ziel verfehlt worden, im Wettbewerb das günstigste Angebot für die ausgeschriebenen Leistungen hervorzubringen. Der AG hätte vielmehr aufgrund eines nicht ihm, sondern der Bieterseite zuzurechnenden Fehlverständnisses einen deutlich überhöhten Preis zahlen müssen. Dem zu einem verantwortungsvollen Einsatz seiner Haushaltsmittel verpflichteten AG hätte nicht zugemutet werden können, sich auf ein derartiges Angebot einzulassen Das Angebot des A wäre daher schon aus diesem Grund nicht zuschlagsfähig gewesen.

Anmerkung:

Bei Preisaufklärungsverlangen des AG gemäß § 15 VOB/A wird seitens der Bieter beim Einsatz von Nachunternehmern sehr oft vorgebracht, dass es nicht möglich sei, die Preise des Nachunternehmers anzugeben. Nachdem bereits das OLG Düsseldorf im Jahr 2021 (B. v. 19.05.2021 – Verg 13/21) entschieden hatte, dass es einem Bieter grundsätzlich zumutbar ist, auch die Preise solcher Leistungspositionen aufzuschlüsseln, die von Nachunternehmern erbracht werden, hat der BGH dies nun mit o.g. Urteil ausdrücklich bestätigt.
Danach gilt: Gibt ein Angebot konkreten Anlass zur Preisprüfung und ist der Bieter in der Lage, seinen NU zu benennen, ist ihm eine entsprechende Mitwirkung z.B. durch Vorlage der NU-Kalkulation auch ohne Weiteres zumutbar. Eine Verweigerung dieser Mitwirkung kann vielmehr den AG veranlassen, das Angebot auszuschließen. Bedarf es also zur Abklärung von Angebots-Ausschlussgründen oder für die Überprüfung der Korrektheit von EP näherer Angaben zur Preisermittlung des NU, sollten Bieter an den entsprechenden Aufklärungen innerhalb der vom AG regelmäßig gesetzten Frist (siehe § 15 Abs. 2 VOB/A) schon im eigenen Interesse tunlichst mitwirken.

  Quelle: RA Werner


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