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Zur Transparenz einer Ausschreibung

03.02.2015

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 17.11.2014 – VK 2-77/14 – u.a. Folgendes entschieden:

• Eine Leistungsbeschreibung ist intransparent, wenn der Auftraggeber den Bietern ein detailliertes Leistungsverzeichnis für die Angebotsabgabe an die Hand gibt, das auf 558 Seiten in 308 Positionen die zu erbringenden Leistungen beschreibt und das die Möglichkeit ausschließt, Nebenangebote einzureichen, andererseits aber Abweichungen von Materialstärken und Funktionalitäten zulässt, ohne dabei anzugeben, in welchen Leistungspositionen und welchem Umfang solche Abweichungen möglich sind.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Bauleistungen ausgeschrieben. Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis; Nebenangebote waren nicht zugelassen. Mit Aufforderung zur Angebotsabgabe hatte der AG den Bietern ein detailliert beschriebenes LV für die Angebotsabgabe übersandt, das auf 558 Seiten, gegliedert in 308 Positionen, die zu erbringenden Leistungen beschrieb.

Im allgemeinen Teil des LV war Folgendes ausgeführt:
„Abweichende Materialstärken und Funktionalitäten (…) sind mit der Angebotsabgabe bekanntzugeben. Der Auftraggeber behält sich vor, die Qualität der eingesetzten Materialien von einem unabhängigen Prüflabor testen zu lassen“.

Bieter A, der ein Angebot abgegeben hatte, wurde vom AG informiert, dass er den Auftrag nicht erhalten solle, weil er nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. A rügte darauf mit dem Hinweis, dass das Angebot des Bestbieters mehrere Anforderungen des LV nicht erfüllt habe und daher ausgeschlossen werden müsse. Da der AG der Rüge nicht abhalf, beantragte A die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens und führte aus, dass sowohl der Bestbieter als auch der zweitplatzierte Bieter nicht den Auftrag erhalten dürfte; denn diese Bieter erfüllten mit ihren Systemen die zwingend einzuhaltenden Vorgaben des LV in mehreren Punkten nicht. Auch auf eine „Gleichwertigkeit“ komme es bei den Angeboten nicht an, weil das LV konkrete Vorgaben enthalte und keine gleichwertigen Lösungen zulasse. Auch der generelle Hinweis im LV auf „abweichende Materialstärken und Funktionalitäten“ führe nicht dazu, dass dadurch eine „Öffnungsklausel“ geschaffen würde, mit der die festgelegten Anforderungen im LV relativiert oder außer Kraft gesetzt würden.

Die Vergabekammer gibt Bieter A recht und stellt in einem schriftlichen Hinweis fest, dass das Vergabeverfahren auf intransparenten und uneindeutigen Vorgaben der Leistungsbeschreibung beruhe (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A). Eine Zuschlagserteilung im laufenden Vergabeverfahren sei daher ebensowenig möglich wie ein Ausschluss der Bieter an erster und zweiter Stelle. Die den Bietern zur Verfügung gestellten Vergabeunterlagen seien unklar, sodass ein gleiches Verständnis der Bieter von der Leistungsbeschreibung im Sinne von
§ 7 EG Abs. 1 Nr. 1 VOB/A und damit die Vergleichbarkeit der eingereichten Angebote nicht vorliege.

Diese Intransparenz ergebe sich aus Folgendem:
Einerseits gebe der AG den Bietern ein detailliert konstruktives Leistungsverzeichnis für die Angebotsabgabe an die Hand, welches auf 558 Seiten in 308 Positionen die zu erbringenden Leistungen beschreibe und die Möglichkeit ausschließe, Nebenangebote einzureichen. Andererseits enthalte das LV eine Art „Öffnungsklausel“, die Abweichungen sogar bei den Funktionalitäten erlaube. Nach dem Verständnis des AG sollte hiermit eine Öffnung des vom Planer des AG zu einem Großteil auf das System eines Bieters zugeschnittenen LV zugunsten alternativer Anbieter erreicht werden, um nicht mit dem Gebot der Produktneutralität in Konflikt zu geraten. Dies habe aber bei den Bietern zu divergierenden Vorstellungen vom Aussagegehalt der Unterlagen geführt. Mangels Eindeutigkeit der Vorgaben sei damit eine Vergleichbarkeit der eingereichten Angebote nicht gewährleistet.

Auf diesen Hinweis der VK setzte der AG das Verfahren in den Stand vor Versendung der Angebotsunterlagen zurück und korrigierte seinen Fehler.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:
Wie die Entscheidung zeigt, ist der AG gezwungen, gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A die Leistungen so eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bieter die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen. Dies gilt um so mehr, als der Auftraggeber zur Leistungsbeschreibung ein detailliertes LV wählt. Die Angaben darin müssen so konkret und allgemein verständlich sein und dürfen nicht durch Hinweise an anderer Stelle des LV eingeschränkt oder relativiert werden mit der Gefahr, dass die Leistungsbeschreibung für die Bieter widersprüchlich und damit die Angebote nicht mehr miteinander vergleichbar sind. 

  Quelle: RA Michael Werner


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