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Zur Zulässigkeit einer einvernehmlichen Vertragsänderung vor Zuschlagserteilung

13.12.2013

Das OLG Rostock hat mit Beschluss vom 25.09.2013 – 17 Verg 3/13 – u.a. Folgendes entschieden:

Vereinbart die Vergabestelle mit dem einzigen Bieter, dass unmittelbar nach Zuschlagserteilung Vertragsänderungen vorgenommen werden, stellt dies keine zur Unwirksamkeit des Vertrags führende „de facto-Vergabe“ dar, wenn der Auftrag nicht vor anderen Bietern verheimlicht wurde, die Vergabestelle andere Bieter nicht durch bewusste Umgehung des Vergaberechts „ausbooten“ will und die Änderungen nicht als wesentlich anzusehen sind.

Ein öffentlicher Auftraggeber hatte gemäß VOL/A im Offenen Verfahren Leistungen des Schienen- und Personennahverkehrs ausgeschrieben. Darauf hatte nur ein einziger Bieter (A) ein wirksames Angebot abgegeben. Weil der AG das Angebot des A für nicht wirtschaftlich ansah, führte er mit A ein sog. Aufklärungsgespräch. Darin war vereinbart worden, dass der AG nach Zuschlags-erteilung den ausgeschriebenen Leistungsumfang reduzieren werde – mit der Folge, dass sich die Preise des A dadurch reduzierten. Im Nachgang darauf erteilte der AG den Zuschlag an A. Zeitgleich mit der Bekanntmachung der Zuschlagserteilung kündigte der AG im europäischen Amtsblatt die Reduzierung des Leistungsumfangs nach Vertragsschluss an. Ein konkurrierendes Unternehmen (B) sah darin eine unzulässige und unwirksame „de facto-Vergabe“ und stellte Nachprüfungsantrag.

Nach Ansicht des OLG hat der Antrag des B keinen Erfolg. Zwar sei das sog. Aufklärungsgespräch eindeutig über das hinausgegangen, was dem AG gemäß § 15 Satz 1 VOL/A vergaberechtlich erlaubt sei, nämlich nur Aufklärung über das ursprüngliche Angebot zu verlangen. Vielmehr dürfte zwischen dem AG und A eine nach § 15 Satz 2 VOL/A ausdrücklich verbotene nachträgliche Verhandlung stattgefunden haben. Dieser Verstoß führe aber nicht zu Unwirksamkeit des Zuschlags. Gemäß § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB sei ein Vertrag vielmehr nur dann unwirksam, wenn er unter maximaler Missachtung des Vergaberechts zustande gekommen sei. 

Kennzeichnend für die in § 101b GWB ausdrücklich genannten Fälle der sog. „de facto-Vergabe“ wie auch der Fälle, die von der Rechtsprechung als solche behandelt würden, sei jeweils, dass die Vergabestelle eine Art der Auftragsvergabe gewählt habe, die entweder zu einer Vergabe unter Ausschluss des gesamten Vergaberechts oder zumindest durch die Nichtbeachtung der zulässigen Vergabeart dazu geführt hätte, dass es Unternehmen unmöglich gemacht wurde, sich an der Ausschreibung des Auftrags zu beteiligen. Dem entspreche auch der Fall, in dem der AG nur mit einem einzigen Unternehmen gesprochen und kein anderes Unternehmen am Verfahren beteiligt hatte, da hier die besondere Schwere gerade darin liege, dass anderen möglichen Bietern der zu vergebene Auftrag verheimlicht würde.

Dies sei hier jedoch ebenfalls zu verneinen wie eine bewusste Umgehung des Vergaberechts mit dem Ziel, andere Bieter durch bewusste Umgehung des Vergaberechts „ausbooten“ zu wollen.

Auch sei die Weiterführung des Verfahrens unter alleiniger Beteiligung des A – wenngleich das möglicherweise vergaberechtswidrig gewesen sei – auch keine dem Vergaberecht völlig fremde Vorgehensweise, die mit dem Fall gleichgesetzt werden könne, indem auf die Beachtung des Vergaberechts völlig verzichtet werde. Ebenfalls könne verneint werden, dass ein in unzulässiger Weise nachverhandelter und bezuschlagter Vertrag von dem Gegenstand der ursprünglichen Ausschreibung wesentlich abweiche. Zur Frage dieser wesentlichen Abweichung könne auf die EuGH-Rechtsprechung zur Neuausschreibungspflicht wesentlicher Vertragsänderungen verwiesen werden (EuGH vom 19.06.2008 – C-454/06). Eine wesentliche Vertragsänderung liege danach vor, wenn sich aus dem Vortrag der Beteiligten oder aus sonstigen Umständen ergebe, dass eine Aufnahme der vollzogenen Änderung in die ursprüngliche Ausschreibung zur Beteiligung weiterer Bieter geführt hätte. Dabei sei darauf abzustellen, ob ein vernünftig denkendes und kalkulierendes Unternehmen gerade aufgrund der Änderung es nachvollziehbarer Weise in Betracht gezogen hätte, sich an der Ausschreibung zu beteiligen. Dies sei hier jedoch klar zu verneinen.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:
Das OLG bewegt sich bei dieser Entscheidung auf einem äußerst schmalen Grat. Im konkreten Falle hätte man dem AG raten müssen, in ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb unter alleiniger Beteiligung des A gemäß § 3 Abs. 4 Ziff. a EG-VOL/A unter den dort geregelten Voraussetzungen überzugehen.

Dies wäre vergaberechtlich die saubere Lösung gewesen und hätte mit Sicherheit nicht den Vorwurf einer möglichen „de facto-Vergabe“ aufkommen lassen. 

  Quelle: RA Michael Werner


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