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Zur Zulässigkeit von Bietergemeinschaften aus Wettbewerbern

16.06.2015

Von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Rheinland hat mit Beschluss vom 11.02.2015 – VK VOB 32/2014 – Folgendes entschieden:

• Es existiert keine grundsätzliche Vermutung dahingehend, dass eine Bietergemeinschaft zwischen branchenangehörigen Unternehmen eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. Dessen ungeachtet, muss der öffentliche Auftraggeber prüfen, ob eine Bietergemeinschaft eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt.

• Es liegt keine wettbewerbswidrige Absprache vor, wenn die Unternehmen erst durch den Zusammenschluss zu einer Bietergemeinschaft in die Lage versetzt werden, sich an der Ausschreibung mit Erfolgsaussicht zu beteiligen.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Straßenbauarbeiten im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Darauf hatte eine Bietergemeinschaft (BIEGE) aus zwei Bauunternehmen ein Angebot abgegeben, das bezuschlagt werden sollte. Hiergegen wandte sich der an zweiter Stelle liegende Wettbewerber, der rügte, dass das Angebot der Bietergemeinschaft gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1, Ziff. d EG-VOB/A zwingend auszuschließen sei, da es sich um einen unzulässigen Zusammenschluss von potentiellen Wettbewerbern handelte. Darauf teilte die Bietergemeinschaft dem AG die Gründe für die Bildung der BIEGE mit. Das ausgeschriebene Projekt übersteige die personellen und materiellen Kapazitäten der beiden Firmen als alleinige Bieter aufgrund der vorgegebenen Ausführungsfristen. Die Abgabe eines Angebotes wäre für beide Unternehmen aus kaufmännischer Sicht als alleiniger Bieter unvernünftig. Darauf wies der AG die Rüge ab, wogegen der Wettbewerber Nachprüfungsantrag zur Vergabekammer stellte.

Die Vergabekammer gibt hier dem AG Recht; das Angebot der BIEGE sei nicht gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1, Ziff. d EG-VOB/A auszuschließen. Die grundsätzliche Zulässigkeit von BIEGEN folge aus § 6 Abs. 1 Nr. 2 sowie § 13 Abs. 5 EG-VOB/A. Gemäß der erstgenannten Vorschrift seien BIEGEN Einzelbietern gleichzusetzen. § 13 Abs. 5 EG-VOB/A lege die zwingenden zusätzlichen Angaben des Angebots einer Bietergemeinschaft fest. Grundsätzlich seien BIEGEN, und zwar auch solche aus Unternehmen derselben Branche, zulässig. Auch gemäß § 1 GWB (Kartellverbot) werde nicht vermutet, dass eine BIEGE eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecke oder bewirke. Allerdings obliege es dem öffentlichen Auftraggeber, auf der ersten Wertungsstufe bei Wertung des Angebots zu prüfen, ob die Bildung einer BIEGE eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstelle. Die BIEGE treffe diesbezüglich die Darlegungs- und Beweislast.

Dazu müsse sie folgendes nachweisen:

• Die zur BIEGE zusammengeschlossenen Unternehmen seien objektiv nicht in der Lage, jeweils für sich unabhängig voneinander ein Angebot vorzulegen. Diese Prüfung beziehe sich nicht auf eine abstrakte Ebene, sondern auf die konkrete Situation der betroffenen Unternehmen vor dem Hintergrund und in Anbetracht der konkreten Ausschreibung. Maßgeblich sei deshalb nicht die generelle abstrakte Fähigkeit, die ausgeschriebene Leistung jeder für sich zu erbringen, sondern die konkrete Fähigkeit zur Leistungserbringung angesichts bereits vorhandener Verpflichtungen einschließlich bereits abgegebener, aber noch offener Angebote.

• Maßgeblich sei die Situation zum Zeitpunkt der Gründung der BIEGE im Hinblick auf die Frist für die Angebotserstellung und auf den voraussichtlichen zeitlichen Rahmen der Leistungserbringung nach Erteilung des Zuschlags.

• Die Unternehmen träfen eine unternehmerische Entscheidung, diese müsse wirtschaftlich zweckmäßig und kaufmännisch vernünftig sein. Dabei komme den beteiligten Unternehmen eine Einschätzungsprärogative zu, deren Ausübung auf Vertretbarkeit zu kontrollieren sei.

Nach Ansicht der Vergabekammer hätten hier die Beteiligten den Nachweis erbracht, dass ihr Zusammenschluss nicht wettbewerbsfeindlich sei, weshalb das Angebot nicht ausgeschlossen werden könne.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Diese Entscheidung ist vor dem Hintergrund einiger früherer Entscheidungen, insbesondere des Kammergerichts Berlin zu sehen, das mehrfach entschieden hatte, dass Bietergemeinschaften von sich aus den Verdacht einer wettbewerbswidrigen Absprache begründen. Unter expliziter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 14.02.2014 – Verg 2/14) stellt hier die Vergabekammer klar, dass BIEGEN aus Wettbewerbern grundsätzlich zulässig sind, wenn diese nicht auf wettbewerbsfeindlichen Erwägungen beruhen. Den Nachweis, dass diese Erwägungen nicht vorliegen, haben die beteiligten Unternehmen zu erbringen.

 

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