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Zur Zulässigkeit von Bietergemeinschaften

26.04.2016

RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Südbayern hat mit Beschluss vom 01.02.2016 – Z3-3-3194-1-58-11/15 – u.a. Folgendes entschieden:

• Die Bildung von Bietergemeinschaften ist grundsätzlich zulässig und unterliegt nicht dem Generalverdacht der Kartellrechtswidrigkeit. Eine Vereinbarung verschiedener Unternehmen, sich mit einer Bietergemeinschaft an der Ausschreibung für einen bestimmten Auftrag zu beteiligen, ist gemäß § 1 GWB nur verboten, wenn die Vereinbarung geeignet ist, die Marktverhältnisse durch Beschränkung des Wettbewerbs spürbar zu beeinflussen.

• Existieren zureichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine unzulässige Bietergemeinschaft handelt, hat die Vergabestelle die Bietergemeinschaft aufzufordern, die Gründe für ihre Bildung darzulegen. Dies kann insbesondere bei einem Angebot einer Bietergemeinschaft aus gleichartigen Unternehmen, die möglicherweise gesondert leistungsfähig wären, der Fall sein.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Vergabe eines ÖPNV-Linienbündels im Rahmen einer europaweiten Bekanntmachung im Offenen Verfahren nach VOL/A-EG für einen Zeitraum vom 01.08.2016 – 14.12.2024 ausgeschrieben. Die Bildung von Bietergemeinschaften war für zulässig erklärt worden; hierzu sollten die Bietergemeinschaften zu bestimmten Punkten, z.B. zur Vertretung und gesamtschuldnerischen Haftung, Erklärungen abgeben. Bis zum Schlusstermin gingen vier Angebote ein, darunter die des Bieters A und des Bieters B, einer Bietergemeinschaft. Mit Schreiben vom 30.10.2015 wurde A mitgeteilt, dass der Zuschlag auf das Angebot der B erteilt werden sollte. A rügte daraufhin u.a., dass B der Zuschlag nicht erteilt werden dürfe, weil es sich bei dieser um einen wettbewerbswidrigen Zusammenschluss gleichartiger Unternehmen handele. Nach Zurückweisung seiner Rüge durch den AG beantragte A Nachprüfung.

Die VK gibt hier dem AG Recht und weist den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück. Das Angebot des B müsse nicht gemäß § 1 GWB i.V.m. § 97 Abs. 1 GWB i.V.m. § 19 Abs. 3 Ziff. f VOL/A-EG ausgeschlossen werden, weil es sich um eine zulässige Bietergemeinschaft (BIEGE) handele. § 6 Abs. 2 Satz 1 VOL/A-EG sehe Bietergemeinschaften als Bieter grundsätzlich vor. Die Bildung einer BIEGE und die Abgabe eines gemeinsamen Angebots könne jedoch gegen das Kartellverbot des § 1 GWB verstoßen, wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecke oder bewirke. Die Verabredung einer BIEGE in Bezug auf eine Auftragsvergabe schließe im Allgemeinen die gegenseitige Verpflichtung ein, von eigenen Angeboten abzusehen, um mit anderen Unternehmen nicht zusammen zu arbeiten, was grundsätzlich den Tatbestand einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des § 1 GWB erfüllen könne. Dabei seien BIEGEN zwischen Unternehmen unterschiedlicher Branchen kartellrechtlich eher unbedenklich, weil unter ihnen in der Regel kein Wettbewerb bestehe. BIEGEN zwischen gleichartigen Unternehmen würden dann für wettbewerbsunschädlich gehalten, sofern – objektiv – die beteiligten Unternehmen ein jedes für sich zu einer Teilnahme an der Ausschreibung mit einem eigenständigen Angebot aufgrund ihrer betrieblichen oder geschäftlichen Verhältnisse (z.B. mit Blick auf Kapazitäten, technische Einrichtung und/oder fachliche Kenntnisse) nicht leistungsfähig seien und erst der Zusammenschluss zu einer BIEGE sie in die Lage versetze, sich daran zu beteiligen. In einem solchen Fall werde durch die Zusammenarbeit der Wettbewerb nicht nur nicht beschränkt, sondern aufgrund des gemeinsamen Angebots vielmehr gestärkt. In subjektiver Hinsicht sei außerdem darauf abzustellen, ob die Zusammenarbeit eine im Rahmen wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Handelns liegende Unternehmensentscheidung darstelle. Dabei sei den beteiligten Unternehmen eine Einschätzungsprärogative zuzuerkennen, deren Ausübung durch die Nachprüfungsinstanzen – wie im Fall eines Beurteilungsspielraums – lediglich auf die Einhaltung ihrer Grenzen, d.h. auf Vertretbarkeit zu kontrollieren sei. Stünden objektive Gründe fest, warum die an der BIEGE beteiligten Unternehmen jeweils zu einer Teilnahme an der Ausschreibung mit einem eigenständigen Angebot aufgrund ihrer betrieblichen oder geschäftlichen Verhältnisse nicht leistungsfähig seien, komme es nicht darauf an, ob die Behebung dieser Hindernisse ausschließlich durch die Bildung einer BIEGE möglich sei.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Die genannte Entscheidung schließt sich der überwiegenden Rechtsprechung an, die die Bildung von BIEGEN als grundsätzlich zulässig ansieht, und die noch einmal die maßgeblichen Regeln festlegt, wie Bietergemeinschaften unter gleichartigen Unternehmen zu beurteilen sind. Hintergrund hierfür ist die Tatsache, dass immer wieder – auch in der Rechtsprechung – vertreten wird, dass die Bildung von Bieter- bzw. Arbeitsgemeinschaften grundsätzlich einen Verstoß gegen das Kartellverbot des § 1 GWB indizieren würde.

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