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Zur ordnungsgemäßen Durchführung einer Preisaufklärung

22.11.2022

Die Vergabekammer (VK) Sachsen hat mit Beschluss vom 14.06.2022 – 1/SVK/006-22 – u.a. folgendes entschieden:

1. Ein Aufklärungsverlangen ist unzulässig, wenn der öffentliche Auftraggeber eine Aufklärung über den Preis verlangt, ohne dass die Voraussetzungen der Prüfung vorliegen, also der Abstand des Angebots zu den weiteren Angeboten keinen Anlass zur Annahme bietet, es sei im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig. In diesem Fall kann der Ausschluss eines Angebots nicht auf eine unzureichende Mitwirkung des Bieters bei einer etwaig überflüssigen Aufklärung gestützt werden.

2. Die Preisprüfung hat in vier Schritten zu erfolgen: (1) Identifikation eines niedrigen Angebots und Prüfung, ob Preis oder Kosten ungewöhnlich niedrig erscheinen; (2) Aufklärung beim betreffenden Bieter; (3) Beurteilung der gegebenen Erläuterungen und Feststellung, ob das Angebot ungewöhnlich niedrig ist; (4) Entscheidung über den Angebotsausschluss.

3. Es besteht kein Anspruch auf ein ergänzendes Aufklärungsverlangen.

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RA Michael Werner

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Beschaffung eines Einsatzleitsystems im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb (TNW) europaweit ausgeschrieben. Bieter A hatte – nach erfolgreicher Absolvierung des TNW und Durchführung von Verhandlungen - ein finales Angebot abgegeben, das zum nächstteureren Angebot einen Abstand von mehr als 20% aufwies. Der AG forderte darauf Aufklärung des Preises, insbesondere zum Bereich „Service“, bei dem der Preis des finalen Angebots ca. 65 % niedriger lag als noch im vorausgegangenen indikativen Angebot des A. Nach fristgerechter Antwort des A schloss der AG das Angebot aus, weil die Aufklärung des ungewöhnlich niedrigen Preises nicht zufriedenstellend erfolgt sei. Darin hätten z.B. Angaben zu den kalkulierten Mengen/Aufwänden gänzlich gefehlt, Personalkosten im Service seien nicht benannt worden. Nach Zurückweisung seiner Rüge beantragte A Nachprüfung.

Die VK gibt dem AG Recht. Der Angebotsausschluss gem. § 60 Abs. 3, S. 1 VgV sei rechtmäßig, weil die geringe Höhe des angebotenen Preises nicht zufriedenstellend habe aufgeklärt werden können.

Ein Aufklärungsverlangen könne rechtswidrig sein, wenn der AG eine Aufklärung über den Preis verlange, ohne dass die Voraussetzungen der Prüfung vorlägen, also der Abstand des Angebots zu den weiteren Angeboten keinen Anlass zur Annahme biete, es sei im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig. Bestehe sodann kein Grund für die Annahme, der Angebotspreis sei unangemessen niedrig, könne der Ausschluss eines Angebots nicht auf eine unzureichende Mitwirkung des Bieters bei einer etwaig überflüssigen Aufklärung gestützt werden.

In der Rechtsprechung seien insoweit Aufgreifschwellen anerkannt, bei deren Erreichen eine Verpflichtung des AG angenommen werde, in eine nähere Prüfung der Preisbildung des betreffenden Angebots einzutreten. Diese Verpflichtung sei dann gegeben, wenn der Abstand zwischen dem Angebot des bestplatzierten und dem Angebot des zweitplatzierten Bieters mindestens 20 % betrage, wobei jedoch diese Schwelle von 20 % nicht als unverrückbare Untergrenze anzusehen ist.

Da hier die Aufgreifschwelle von 20% klar überschritten gewesen sei, sei sodann zu prüfen, ob die Entscheidung des AG, das Angebot des A als unauskömmlich zu bewerten, auf Basis eines zutreffend und hinreichend ermittelten Sachverhaltes und einer gesicherten Erkenntnisgrundlage getroffen worden und im Ergebnis nachvollziehbar und vertretbar sei.

Dabei habe die diesbezüglich notwendige Preisprüfung in vier Schritten zu erfolgen: In einem ersten Schritt identifiziere der AG zweifelhafte, d.h. niedrige Angebote und prüfe, ob der Preis oder die Kosten dieses Angebots ungewöhnlich niedrig zu sein "scheinen". In einem zweiten Schritt habe der AG dann dem betreffenden Bieter die Möglichkeit zu geben, die Gründe darzulegen, aus denen er der Ansicht sei, dass sein Angebot nicht ungewöhnlich niedrig sei. Der AG habe sodann in einem dritten Schritt die Stichhaltigkeit der gegebenen Erläuterungen zu beurteilen und festzustellen, ob das in Rede stehende Angebot ungewöhnlich niedrig sei. In einem vierten Schritt habe er seine Entscheidung über die Zulassung oder Ablehnung dieser Angebote zu treffen.

Vor diesem Hintergrund sei das Aufklärungsverlangen des AG hier nicht zu beanstanden. Die hier formulierte Aufforderung zur Aufklärung war nach Überzeugung der VK als konkret genug zu bewerten, um A "den Ernst der Lage vor Augen zu führen" und ihm klar zu machen, anhand welcher "Arbeitsaufgaben" er nun die "Seriosität" seines Angebots nachzuweisen habe.

Nach dieser ordnungsgemäßen Aufforderung des Bieters, den Nachweis der "Seriosität" seines Angebots zu erbringen, gehe die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast auf diesen über, da naturgemäß nur der Bieter über die innerbetrieblichen und geschäftlichen Verhältnisse Auskunft erteilen könne und ihm dies auch zuzumuten sei, weil der AG keine Kenntnisse von den internen Betriebsstrukturen habe. Der Bieter müsse nun konkrete Gründe darlegen, die den Anschein widerlegten, dass sein Angebot nicht seriös sei. Dazu müsse er seine Kalkulation und deren Grundlagen erläutern. Die Erläuterungen des Bieters müssten umfassend, in sich schlüssig und nachvollziehbar sowie ggf. durch geeignete Nachweise objektiv überprüfbar sein. Diesen Nachweis habe A hier aber nicht erbracht, seine Antworten hätten sich überwiegend auf Oberbegriffe und „Worthülsen“ beschränkt. Mengen-, Prozent- oder Einzelpreisangaben seien weder genannt noch erläutert worden. Die Aufklärung des A sei daher nicht zufriedenstellend gewesen.
Der AG sei auch nicht verpflichtet gewesen, den A mehrfach Gelegenheit zur Erläuterung der Preisgrundlagen zu gewähren. Ein Anspruch auf mehrmalige oder ergänzende Aufklärung bestehe nicht. Denn würde man dies anders sehen, würde sich die jetzt beim Bieter liegende Darlegungs- und Beweislast in eine "unbegrenzte Holschuld" des Auftraggebers verkehren, was abzulehnen sei.

Anmerkung:

Bei Aufforderungen zur Preisaufklärung (z.B. nach § 15 Abs. 1 VOB/A) durch den AG gibt es immer wieder Unsicherheiten, die nach Lektüre der Entscheidung jedoch geklärt sein dürften. Liegt ein wirksames Aufklärungsverlangen des AG vor, trifft den Bieter die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er auskömmlich kalkuliert hat, mithin sein Angebot die notwendige Seriosität aufweist. Seine Erläuterungen müssen in sich schlüssig, nachvollziehbar und ggf. durch geeignete Nachweise überprüfbar sein. Dabei sollte der Bieter nicht darauf spekulieren, eine weitere Chance zur Aufklärung zu bekommen, da der AG nicht verpflichtet ist, eine unzureichende Aufklärung zu heilen.


  Quelle: RA Michael Werner


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