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Zur produktneutralen Ausschreibung bei Lieferung von Originalverbrauchsmaterial

22.07.2014

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 09.05.2014 – VK 2-33/14 – u.a. Folgendes entschieden:

• Das Vergaberecht regelt nicht das „Was“ der Beschaffung, sondern das „Wie“, nämlich das Verfahren, in dem ein Vertragspartner für den unabhängig von vergaberechtlichen Bindungen festgelegten Beschaffungsbedarf ausgewählt wird.

• Das Bestimmungsrecht des Auftraggebers ist allerdings nicht grenzenlos. So ist er gehalten, die Leistung grundsätzlich produktneutral auszuschreiben. Eine Ausnahme hiervon ist möglich, wenn die Festlegung auf ein bestimmtes Produkt objektiv auftrags- oder sachbezogen ist und der Auftraggeber seine Entscheidung nachvollziehbar begründet.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte einen Rahmenvertrag für Lieferung von Druckerverbrauchsmaterialien europaweit ausgeschrieben. Der AG hatte die Vorgabe von Originalverbrauchsmaterialien damit begründet, dass beim Einsatz anderen Materials die vertraglichen Gewährleistungsansprüche für die Drucker gegenüber dem Hersteller gefährdet seien. Dabei standen die Drucker selbst nicht im Eigentum des AG, sondern wurden diesem lediglich zur Nutzung überlassen. Die Druckergeräte waren mit einer seit über fünf Jahren bestehenden nicht ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung eines Dritten beschafft worden. Bieter A, der Alternativmaterialien angeboten hatte, wendet sich gegen die Ausschreibung mit dem Argument, sie verstoße gegen das Gebot der Produktneutralität (§ 8 EG Abs. 7 VOL/A). Nach Ansicht des A fehle für die Produktvorgabe jegliche Rechtfertigung. Der Produkthersteller dürfe dem Abnehmer nicht die Verwendung bestimmter Verbrauchsmaterialien vorschreiben. Außerdem sei der Hersteller immer in der Lage, günstiger anzubieten als ein Konkurrent – auch dann, wenn der Zugang zum Wettbewerb nicht gänzlich ausgeschlossen sei.

Die VK gibt Bieter A recht. Zwar sei ein öffentlicher Auftraggeber entsprechend dem Grundsatz der Privatautonomie grundsätzlich frei, seinen Bedarf festzulegen und autonom zu definieren; die bloße Tatsache, dass es sich um einen öffentlichen Auftraggeber handele, ändere hieran nichts. Allerdings sei das Leistungsbestimmungsrecht des AG nicht grenzenlos. Das Gebot, grundsätzlich produktneutral auszuschreiben, sei eine konkrete Ausformung des allgemeinen Wettbewerbsgrundsatzes (§ 97 Abs. 1 GWB). Eine Grenze werde dann überschritten, wenn die wettbewerbsbeschränkende Definition des Beschaffungsgegenstandes objektiv nicht auftrags- oder sachbezogen und die vom AG angeführte Begründung nicht nachvollziehbar sei. Dies sei hier der Fall. Hier sei die Klausel vom Gerätehersteller in einem Vertrag vorgesehen, der vor über fünf Jahren geschlossen und seitdem praktiziert worden sei. Dieser Vertrag sei ganz offensichtlich vergaberechtswidrig, da er ohne Anwendung des Vergaberechts geschlossen wurde. Außerdem seien Rahmenverträge auf die Dauer von vier Jahren zu begrenzen (§ 4 EG Abs. 7 VOL/A), gerade bei Standardbeschaffungen wie Druckern sei kein Grund für eine längere Vertragsdauer als Ausnahme erkennbar. Insofern hätte es dem AG oblegen, den Rahmenvertrag für Druckergeräte zwischenzeitlich einem ordnungsgemäßen Vergabewettbewerb zuzuführen. Eine Berufung auf die Vorgaben in diesem Rahmenvertrag, der vergaberechtswidrig geschlossen worden sei, könne damit keinen sachlichen Grund für den AG darstellen, nunmehr wegen einer Klausel in diesem Vertrag eine wettbewerbsbeschränkende Definition des Beschaffungsbedarfs auf Originalmaterial vorzunehmen. Würde man diesen vergaberechtswidrigen Vertrag als sachlichen Grund für eine derartige Einengung akzeptieren, so käme dies einer Perpetuierung der vergaberechtskonträren Verhältnisse für vier weitere Jahre gleich.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft

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E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
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Anmerkung:
Die Entscheidung zeigt gut, unter welchen Voraussetzungen der Auftraggeber im Rahmen seines Leistungsbestimmungsrechts eine Ausnahme vom geltenden Gebot der Produktneutralität machen kann. Interessant ist die Entscheidung auch deshalb, da die Vergabekammer explizit auf das vergabekonforme Zustandekommen des Vertrags abhebt, der letztlich die Grundlage für die wettbewerbsbeschränkende Bestimmung im LV (nicht produktneutrale Ausschreibung) bildet.

  Quelle: RA Michael Werner


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