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Zur ungeprüften Übernahme einer Bonitätsbewertung bei Eignungsprüfung

21.06.2013

Die VK Baden-Württemberg (VK) hat mit Beschluss vom 09.04.2013 – 1 VK 8/13 - folgendes entschieden:

Eignungsentscheidungen dürfen nur auf einer gesicherten Erkenntnisgrundlage ergehen, die der Auftraggeber grundsätzlich eigenverantwortlich herstellen muss. Umstände, die nicht auf eigener gesicherter Erkenntnis beruhen, dürfen bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden.

Mit der ungeprüften Übernahme der für die Eignungsbewertung maßgeblichen Erkenntnisse an eine Wirtschaftsauskunftsdatei genügt der öffentliche Auftraggeber seiner vergaberechtlichen Pflicht zur Schaffung einer hinreichend sicheren Erkenntnisgrundlage nicht. Das bedeutet nicht, dass die Verwertung von Bonitätsbewertungen einer Auskunftsdatei in Vergabeverfahren ausgeschlossen ist. Der Auftraggeber muss aber sicher stellen, dass diese Angaben nicht ungeprüft und ohne jede Korrekturmöglichkeit zur Grundlage der Eignungsbewertung werden.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Grundreinigung städtischer Objekte europaweit im Offenen Verfahren gemäß VOL/A ausgeschrieben. Mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe hatte der AG gefordert, dass mit dem Angebot Referenzen sowie Bankerklärungen und Bankauskünfte vorzulegen sind. Im Rahmen der Angebotswertung hatte der AG selbstständig Auskünfte einer Wirtschaftsauskunftei (Creditreform) angefordert, ohne dem Bieter die Gelegenheit zu geben, zu der eingeholten Auskunft über seine angeblich „sehr schwache Bonität“ Stellung nehmen zu können. Vielmehr wird dem Bieter A im Rahmen des Vorinformationsschreibens gemäß § 101a GWB mitgeteilt, dass er wegen Zweifeln an seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgeschlossen werde. Der Bieter biete keine Gewähr dafür, die ausgeschriebene Leistung während der Vertragsdauer ordnungsgemäß zu erfüllen. Dagegen wendet sich A in seinem Nachprüfungsverfahren.

Die Vergabekammer gibt hier dem Bieter A Recht – mit folgender Begründung:

Das Vorgehen des AG begegne durchgreifenden vergaberechtlichen Bedenken, weil er im Hinblick auf die Bonitätsbewertung weder eine eigene Prüfung und Kontrolle vornehme noch dem Bieter A die Möglichkeit eingeräumt habe, Einwände und Korrekturen an der eingeholten Auskunft der Kreditreform anzubringen. Eignungsentscheidungen dürften nur auf einer gesicherten Erkenntnisgrundlage ergehen, die der AG grundsätzlich eigenverantwortlich herstellen müsse (so ständige Rechtsprechung des BGH). Der AG müsse alle Umstände, die für die Bewertung der Eignung von Bedeutung seien, aufklären. Er dürfe sich weder auf Vermutungen stützen noch Zweifelsfragen offen lassen. Umstände, die nicht auf einer eigenen gesicherten Erkenntnis beruhten, dürften bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden. Dass Auftraggeber sich auf eine von anderen Stellen durchgeführte Eignungsprüfung beschränkten, sei sowohl im europäischen wie nationalen Vergaberecht ausschließlich im Rahmen der Präqualifikation vorgesehen. Mit der ungeprüften Übernahme der für die Eignungsbewertung maßgeblichen Erkenntnisse an eine Wirtschaftsauskunftsdatei genüge der öffentliche Auftraggeber seiner vergaberechtlichen Pflicht zur Schaffung einer hinreichend sicheren Erkenntnisgrundlage nicht. Das bedeute zwar nicht, dass die Verwertung von Bonitätsbewertungen der Creditreform-Auskunft im Vergabeverfahren ausgeschlossen sei. Der AG müsse aber sicher stellen, dass diese Angaben nicht ungeprüft und ohne jede Korrekturmöglichkeit zur Grundlage der Eignungsbewertung würden. Hier hätten die Bieter die Einholung einer Creditreform-Auskunft durch den AG sowohl objektiv als auch subjektiv nicht erkennen können. Aus den Bewerbungsbedingungen sei lediglich zu erkennen gewesen, dass der AG die Vorlage von Bankauskünften verlangen könne. Dass anstatt oder anstelle dessen der AG selbstständig Auskünfte einhole, sei für die Bieter nicht erkennbar gewesen. Außerdem verböten sich pauschale Schlussfolgerungen aufgrund der Auskunft über die Bonität im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit beim konkreten Auftrag. Das müsse der AG anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls selbst beurteilen. Wenn er dies unterlasse, unterliege diese Entscheidung Nachprüfungen durch die Vergabekammer, selbst wenn dem AG grundsätzlich bei der Eignungsprüfung ein Beurteilungsspielraum zustehe.

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Anmerkung:
Öffentliche Auftraggeber sollten sich davor hüten, ungesehen und unkritisch Auskünfte Dritter – seien es Wirtschaftsauskunfteien oder Referenzauftraggeber – zu übernehmen. Auch wenn der Beurteilungsspielraum des AG relativ weitgehend ist, findet er da seine Grenzen, wo der Auftraggeber seine Entscheidungen auf ungesicherter Erkenntnisgrundlage trifft.

  Quelle: RA Michael Werner


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