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Zusätzliche Leistung: Vergütung ohne Anordnung?

19.12.2019

Von RA Michael Seitz

Dem Auftragnehmer steht in einem VOB-Vertrag auch dann ein Anspruch auf besondere Vergütung nach § 2 Abs. 6 VOB/B zu, wenn der Auftraggeber die zusätzliche Leistung zwar nicht gemäß § 1 Abs. 4 VOB/B verlangt, die Zusatzleistung aber technisch zwingend notwendig ist. Die erforderliche Ankündigung der zusätzlichen Vergütung liegt im Nachtragsangebot.

Das hat das OLG Hamm in einem Urteil vom 13.07.2017 (Az.: 24 U 117/16) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 10.07.2019 (Az.: VII ZR 209/17) zurückgewiesen.

Der Fall: AG beauftragt AN mit der Installation von Brandmeldeanlagen an einem Neubau einer Hochschule mit zwei verschiedenen Standorten. Grundlage war das Leistungsverzeichnis, das AG erstellt hatte. Die VOB/B war einbezogen. Los 1 für den einen Standort enthält eine eigene Position für die Programmierung von Ringleitungselementen, im Leistungsverzeichnis des Loses 2 für den zweiten Standort ist dies nicht der Fall. Bei beiden Standorten ist diese Programmierung jedoch zwingend erforderlich. AN stellt ein Nachtragsangebot für die Programmierung der Ringleitungselemente in Los 2. AG lehnte dies ab, da nach seiner Auffassung diese Arbeiten bereits Bestandteil des Hauptauftrages seien. AN verlangt eine zusätzliche Vergütung für jede erforderliche Programmierung von 25,00 Euro, eben dieser Preis ist auch in Los 1 vereinbart. AG verweigert die Zahlung, AN erhebt Klage.

Das Urteil: Mit Erfolg. Das OLG Hamm stellt zunächst fest, dass es an einem Verlangen der Ausführung einer im Vertrag nicht vorgesehenen Leistung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 VOB/B fehlt, da AG ja der Meinung war, die Leistung sei bereits verpreist. Sofern – wie im vorliegenden Fall – diese Frage jedoch ungelöst bleibt, kann sich AG gegenüber dem AN, der Mehrvergütung fordert und die zusätzliche Leistung erbracht hat, jedoch nicht darauf berufen, er habe die zusätzliche Leistung nicht angeordnet. Nach Auffassung des OLG Hamm (die vom BGH bestätigt wird), stellt dies eine unzulässige Rechtsausübung dar. AN sei von AG veranlasst worden, die Leistung zu erbringen, auch wenn AG der Meinung gewesen sei, die Leistung sei bereits im Ursprungsauftrag enthalten. Könnte sich AN gleichwohl darauf berufen, er habe keine zusätzliche Leistung gefordert, würde AN das Werklohnrisiko aufgebürdet. Dies sei unangemessen. Das in § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 VOB/B vorgesehene Erfordernis der Ankündigung habe AN erfüllt, in dem er dem AG ein Nachtragsangebot übersandt habe. Die zusätzliche Vergütung steht AN daher zu, die Berechnung erfolgt auf Basis der Position im ersten Los des gleichen Auftrages, indem diese Leistung ja vorgesehen und verpreist war.

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Fazit: Die Entscheidung ist zu begrüßen, löst sie doch die Interessenlage „gerecht“ auf. Das Phänomen, dass AG die Leistung bereits für verpreist hält, während AN der Meinung ist, es handele sich um eine zusätzliche Leistung, für die er eine zusätzliche Vergütung verlangen kann, tritt sehr häufig auf. Es wäre aber zutiefst „ungerecht“, wenn AG sich darauf zurückziehen könnte, er habe (zu Unrecht!) eine zusätzliche Leistung nicht beauftragt und müsse deshalb auch nicht bezahlen, selbst wenn sie zur Erbringung des funktionalen Werkerfolges zwingend erforderlich war (so aber trotzdem OLG Düsseldorf vom 25.10.2013, Az.: 22 U 21/13). Immerhin entspricht es dem erklärten Willen des AG, dass die Leistung – ob nun bereits beauftragt oder nicht – in jedem Falle ausgeführt werden soll. Dies spricht dafür, dem AN ein Vergütungsanspruch auch dann zuzubilligen, wenn die Annahme des AG falsch ist und es sich um eine zusätzliche Leistung handelt. Die gilt umso mehr, als AN die Leistung ja auch nicht mit der Begründung einstellen darf, AG habe die Leistung nicht beauftragt.

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