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Zuschlagsverbot für russische Firmen schwierig in der Praxis

22.06.2022

Trotz der nachvollziehbaren Gründe, die russische Wirtschaft in Anbetracht des Ukraine-Krieges nicht unterstützen zu wollen, legt das Zuschlagsverbot im EU-Vergaberecht manchen Firmen zusätzliche Steine in den Weg.

Im April wurde eine EU-Verordnung (EU) 2022/576) veröffentlicht, die ein Zuschlagsverbot und ein Vertragserfüllungsverbot in Bezug auf russische Unternehmen enthält. Nach neuem EU-Recht dürfen in laufenden Vergabeverfahren aktuell keine Zuschläge mehr an russische Staatsangehörige oder russische Unternehmen erteilt werden. Bereits geschlossene Verträge dürfen nicht weiter erfüllt werden. Damit soll russischen Wirtschaftsteilnehmern der Zugang zu öffentlichen Aufträgen in der EU versperrt werden.

Grund dafür ist selbstverständlich der Angriff des russischen Militärs auf die Ukraine im Februar und der Krieg, der infolgedessen ausgelöst wurde. Wie ernst es die EU damit meint, zeigt sich darin, dass das Verbot auch dann greift, wenn Subunternehmer oder sogar nur Lieferanten eines Anbieters aus Russland stammen.

Eine klare Positionierung der EU

Mit diesem Schritt geht die EU aus vergaberechtlicher Sicht recht weit. Der aus der politischen Logik erklärbare Anspruch, russische Unternehmen nicht von öffentlichen Aufträgen in der EU profitieren zu lassen, wirft in der Praxis jedoch Fragen für viele Kommunen sowie Unternehmen in der Baubranche auf.
Während nämlich relativ eindeutig ist, wer russische Staatsangehörige sind, ist das bei Unternehmen weniger klar. Die Richtlinie spricht von in Russland niedergelassenen Organisationen oder Einrichtungen, bezieht sich aber ausdrücklich auch auf nichtrussische Unternehmen, die zu mehr als 50 Prozent von sanktionierten Personen oder Einrichtungen gehalten werden. Wer unter die Sanktionen fällt, ist daher im Einzelfall durchaus nicht leicht festzumachen.

Ein erhöhter bürokratischer Aufwand

In jedem Fall wird die Abwicklung öffentlicher Ausschreibungen, die schon bisher als bürokratisch gerügt wurde, durch die neuen Regelungen nicht einfacher. Für Auftraggeber steigt der Prüfaufwand, insbesondere da sich die Regelungen auch auf Subunternehmer und Lieferanten beziehen. Für Bieter steigt der Dokumentationsaufwand und ist gerade bei Projekten mit vielen Subunternehmern oder in Arbeitsgemeinschaften die Rechtssicherheit gefährdet.

Eine pragmatische Erleichterung könnte es sein, die Restriktionen auf Vergaben mit besonders hohem Auftragsvolumen zu beschränken, die eine umfassende rechtliche Begleitung eher rechtfertigen. So erfreulich komplexe rechtliche Fragestellungen für spezialisierte Anwälte sind, sollte das Vergaberecht nicht zum Selbstzweck werden

Der Hintergrund zum EU-Vergaberecht

Ein Grundgedanke des EU-Vergaberechts ist die Diskriminierungsfreiheit im Umgang mit den Anbietern. Diese bezog sich stets auf Unternehmen aus EU- bzw. EWR-Mitgliedsstaaten und einzelnen anderen Staaten, mit denen gesonderte Abkommen getroffen wurden. Unternehmer aus sonstigen Drittstaaten dürfen dagegen diskriminiert und sogar von Vergaben ausgeschlossen werden. Damit verfolgt die Europäische Union das Ziel der Stärkung des Binnenmarktes.

In manchen Fällen verlangt EU-Recht sogar die Diskriminierung von Drittstaatsangehörigen. Aktuell ist dies etwa im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland wegen des Krieges in der Ukraine der Fall.

  Quelle: www.derstandard.de


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