zurück

Zwingender Ausschluss bei Änderung der Vergabeunterlagen

22.02.2013

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 19. Dezember 2012 – Verg 37/12 – u. a. folgendes entschieden:

Ändert ein Angebot Vergabeunterlagen ab, so ist es zwingend vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen.

Enthält ein Leistungsverzeichnis eines Bauvorhabens eine Mindestanzahl an Gerätschaften (hier: mindestens 11 Baukräne), handelt es sich nicht um
zwingende Ausschreibungsbedingungen, wenn diese Angabe gleichzeitig relativiert wird, dass dies „der Sicht des Verfassers“ entspreche und nicht unterschritten werden „solle“. Vielmehr handelt es sich um funktionale Leistungsmerkmale, die den Bietern verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Bewältigung der Bauaufgabe eröffnen.


Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Rohbauarbeiten für mehrere Hochschulgebäude im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. In seinem Leistungsverzeichnis (LV) hatte er eine „Mindestanzahl von 11 Baukränen“ vorgegeben. Diese Vorgabe hatte er allerdings mit den Hinweisen relativiert, dass diese Festlegung „die Sicht des Verfassers“ wiedergibt und nicht unterschritten werden „solle“. Bieter A, der nach der Wertung Bestbieter war, hatte in seinem Angebot die Vorgabe von 11 Baukränen unterschritten. Darauf erhob der konkurrierende Bieter B ein Nachprüfungsverfahren mit dem Ziel, das Angebot des Bieters A auszuschließen. Die Vergabekammer hatte hier B Recht gegeben und schloss das Angebot des Bieters A aus. Dagegen wehrte sich Bieter A. Das OLG gibt hier dem Bieter A Recht; sein Angebot sei nicht auszuschließen. Die Voraussetzungen des einzig in Betracht kommenden Ausschlusstatbestands der §§ 16 Abs. 1b i.V.m. 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A lägen nicht vor, da das Angebot des A keine solche Änderungen enthalte. A habe in seinen Angeboten nur vier Baukräne angeboten. Hierdurch sei er jedoch nicht von Ziffer 1.1 des Leistungsverzeichnisses abgewichen, auch wenn dieses und der dem LV beigefügte Baueinrichtungsplan mehr Baukräne vorsehe. Denn bei verständiger Würdigung der Vergabeunterlagen handele es sich hier nicht um zwingende Ausschreibungsbedingungen. Ziffer 1.1 des LV i.V.m. dem als Anlage beigefügten Baustelleneinrichtungsplan stellten vielmehr funktionale Leistungsmerkmale dar, die den Bietern verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Bewältigung der Bauaufgabe eröffneten. Das LV sei hier so auszulegen, dass die Anzahl der einzusetzenden Baukräne vom Bieter bestimmt werden könne. Eine verbindliche Festlegung auf insgesamt 11 Baukräne könne dem LV nicht entnommen werden. Bereits der Wortlaut des LV lasse erkennen, dass der AG den Bietern die Entscheidungsfreiheit überlassen wolle, mit wie vielen Baukränen sie die ausgeschriebene Leistung erbringen wollten. Zwar würden in Ziffer 1.1 des LV die Worte „Mindestanzahl der Bewältigung der Bauaufgabe“ verwendet, deren grundsätzliche Eindeutigkeit aber durch die gleichzeitige Einschränkung, dass dies „der Sicht des Verfassers“ entspreche und nicht unterschritten werden „solle“, relativiert. Eine eindeutige Festlegung auf eine Mindestanzahl anzubietender Baukräne erfolge hierdurch nicht. Aus Ziffer 1.1 des LV, in der die Bieter aufgefordert würden, einen eigenen Baustelleneinrichtungsplan vorzulegen, in den die vom Bieter gewählten Standorte für Großgeräte und mobile Kräne einzutragen seien, ergebe sich vielmehr, dass der dem LV beigefügte Baustelleneinrichtungsplan nicht verbindlich sei, sondern nur eine von mehreren Varianten für die Aufgabenerfüllung darstelle und damit als bloße Anregung zu verstehen sei. Dies sei auch von mehreren Bietern so verstanden worden.

RA_Werner_online.jpg

Anmerkung:
Trotz dieser interessanten Entscheidung sollten sich die Vergabebeteiligten Folgendes klarmachen: Bieter können grundsätzlich keine eigenen, von den Vorgaben des Auftraggebers abweichenden Vorstellungen durchsetzen. Der Auftraggeber ist dagegen zur eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung der Leistung verpflichtet (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A-EG). Konkret heißt dies, dass der AG sein Leistungsbestimmungsrecht so ausüben muss, dass bei einem Bieter keine vernünftigen Zweifel daran aufkommen können, was der Aufraggeber tatsächlich will. Unklarheiten in Vergabeunterlagen - insbesondere im LV - gehen daher zu Lasten des AG. Wenn der Bieter einen Widerspruch bzw. eine Mehrdeutigkeit in den Vergabeunterlagen entdeckt, sollte er den AG darauf aufmerksam machen und diesen Aspekt gegebenenfalls rügen (§ 107 Abs. 3 GWB). Hält der AG aber an seinen Vorgaben nach wie vor fest, ist der Bieter – nach der Rechtsprechung sogar bis zur Grenze der technischen Baubarkeit – tatsächlich verpflichtet, entsprechend der Vorgaben des Auftraggebers anzubieten.

  Quelle: RA Michael Werner


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare