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Das Handwerk ist auf Nachwuchssuche

07.01.2022

Tausende Lehrstellen bleiben jedes Jahr unbesetzt

Um junge Menschen für eine Ausbildung in der Baubranche zu gewinnen, müssen Führungskräfte umdenken und innovativ sein. Die Arbeit auf dem Bau ist auf den ersten Blick begehrt: Nach Angaben der Sozialkassen der Bauwirtschaft ist die Zahl der Auszubildenden für das Schuljahr 2021/22 um knapp 6 % gegenüber der Vorperiode gestiegen. "Das ist eine mehr als erfreuliche Entwicklung", sagt Felix Pakleppa. Der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands der Deutschen Bauwirtschaft (ZDB) ist zuversichtlich.

Doch nicht alle sind so optimistisch wie Pakleppa. Viele Handwerker haben Mühe, geeigneten Nachwuchs zu finden. Die ZDB verweist auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit: Es gibt 38.000 Lehrlinge auf dem Standort, aber mehr als 15.000 Lehrstellen bleiben unbesetzt. Deshalb müssen Unternehmer etwas erfinden, wenn sie nicht ohne Nachwuchs enden wollen. Auf Bewerbungen zu warten, reiche nicht mehr aus, heißt es beim Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH). In der Zwischenzeit muss sich das Unternehmen um den Auszubildenden bewerben, nicht umgekehrt. Denn die Konkurrenz ist sehr groß, auch von Unternehmen außerhalb des Baubereichs. Jens Christopher Ulrich, Sprecher der Handwerkskammer für München und Oberbayern, erklärt: "Vor allem technisch geprägte Berufe sind gefragt". Ganz oben auf der Liste stehen Elektroniker und Kfz-Mechatroniker.

Industriebetriebe müssen punkten

Industriebetriebe punkten nicht nur mit interessanten Tätigkeiten, sondern auch mit normalen Arbeitszeiten und bei Problemen mit einem Betriebsrat. Auf der anderen Seite leidet die Baubranche unter einem schlechten Image, das selbst einen Teil dazu beiträgt. War der Ton auf vielen Baustellen in der Vergangenheit hart, so erwarteten manche Firmenchefs, sich ständig auf Überstunden vorzubereiten. Denn viele junge Leute legen mehr Wert auf Freizeit und Familie und haben dadurch mehr Zeit. Sprüche wie „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ frustrieren junge Menschen. Claudia Büttner, Sprecherin des ZVDH: "Hier ist ein Umdenken gefragt".

Auch eine Art Knigge für die Berufsausbildung soll helfen. Dort finden Unternehmer Informationen, wie man ein Mitarbeitergespräch führt, wie Unternehmen Auszubildende am ersten Tag begrüßen sollen und welche kleinen Weihnachtsgeschenke Auszubildende und Praktikanten an das Unternehmen binden. "Jugendliche wollen wertgeschätzt werden und sich wohl fühlen", sagt Büttner. Wer hier nicht involviert ist, darf sich nicht wundern, wenn sein Betrieb keine Auszubildende mehr findet.

Bewerbungen von Frauen sind in der Branche noch sehr wenige. Büttner erklärt: "Wir versuchen, die gängigen Vorurteile abzubauen und auch Frauen fürs Dachdeckerhandwerk zu begeistern". Im Vorteil seien aber vor allem Gewerke, die mit aktuellen Themen auf sich aufmerksam machen können. Der Bundesverband Elektro- und Informationstechnik stellt Nachhaltigkeit in einer neuen Imagekampagne in den Mittelpunkt. Die Montage von Solaranlagen auf dem Dach als Beitrag zum Klimaschutz weckt laut Verband das Interesse junger Menschen

Soziale Medien als Hilfe bei der Nachwuchssuche

Auch die Präsenz in den sozialen Medien ist wichtig. "Um die Jugendlichen direkt zu erreichen, hat sich Instagram bewährt, auch Tiktok wird immer wichtiger", sagt Ulrich. Es ist ein bisschen anders als bei der alten Generation. Eltern, Onkel und Tanten neigen dazu, Facebook zu nutzen, Zeitungen zu lesen und jüngeren Familienmitgliedern über freie Stellenanzeigen zu berichten.

Der Besuch einer Karrieremesse ist zudem ein Muss. "Es geht darum, die jungen Menschen an den eigenen Stand zu locken, auf sich aufmerksam zu machen, ihre Neugier zu wecken", sagt Ulrich. Da muss man sich mehr einfallen lassen, als nur ein paar Flyer zu verteilen. Einer, der dies erkannte, ist Matthias Schomberg, Vorsitzender der Geschäftsführung der Schomberg+Co in Dortmund, einem Dach-, Fassaden- und Solarsystem-Unternehmen. "Wir haben für fünf- bis zehntausend Euro eine VR-Kamera und VR-Brille gekauft und einen Film drehen lassen, der Einblick in unsere Arbeit gibt, zum Beispiel, wie es ist, über die Dachkante in die Tiefe zu schauen." Das lockt Menschen an seinen Stand und findet so geeignete Bewerber für seine freien Lehrstellen.

Schomberg setzt nicht nur auf Messen: "Man muss so viele Kontakte wie möglich nutzen." Das örtliche Arbeitsamt, eine Hauptschule, von der Schülerpraktikanten kommen, ein Bildungsträger, der ihm "schwierigere Jugendliche", wie er das nennt, schickt. Er hat gute Erfahrungen mit Kandidaten zwischen 25 und 30 Jahren gemacht, die feststellen, dass sie etwas anderes im Leben machen und sich neu orientieren wollen: "Wenn der geistige Schalter bei denen umgelegt ist, kann das was werden."

  Quelle: www.sueddeutsche.de


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